Nadelkünstler in der Hessenhalle
130 Tätowierer demonstrieren ihre »bestechende Kunst« auf der Tattoo-Convention in den Gießener Hessenhallen. Dabei waren besonders klassische und florale Motive bei den Besuchern gefragt.
Gießen (red). Passend zur aktuellen Tattoo-Ausstellung »Signs of the Times« im Gießener Kulturzentrum KiG fand am Wochenende die fünfte Tattoo-Convention in der Hessenhalle statt. Trotz des Regens gab es schon am Samstagnachmittag enge Gänge mit Gedränge, die Hallen 3 und 4 waren so gut gefüllt, dass sich der Besucherverkehr an manchen Ecken staute.
56 Stände mit rund 130 Nadelkünstlerinnen und -künstlern zeigten an ihren Ständen tausende von »Flashs«, also vorgezeichnete Motive, und brachten der Kundschaft auf Wunsch ihre Bilder direkt vor Ort unter die Haut. Die Motivauswahl bediente hauptsächlich Klassisches, von Oldschool-Motiven wie Anker und Schädel über Disney- und Manga-Adaptionen bis hin zu vielen sepulkralen und floralen Ornamenten.
Totenköpfe, Anker und florale Ornamente
Der aktuelle Trend der »Ignorant«- Tattoos, also, absichtlich schrottig gemachte Tattoos, die aussehen, als habe man sich aus Langeweile selbst mit dem Kuli schiefe Strichmännchen und ähnliches aufgemalt, war hier eher weniger zu finden, auch wenn ein Tätowierer mit einer Blindenbinde am Arm die Kundschaft etwas verunsicherte.
Auffällig war, dass Körperpartien, die vor wenigen Jahren noch für viele Tätowierer tabu waren, also insbesondere Hände und Gesicht, mittlerweile recht häufig coloriert wurden. Wer sich für sein erstes Tattoo noch Mut antrinken musste, hatte an einigen Ständen mit einer bunten Auswahl an verschiedenen, geschmacklich aufgepimpten Whiskeysorten mit Apfel, Honig oder Vanille die Möglichkeit dazu. An einem anderen Stand gab es in Flaschen abgefüllte Cocktails in allen Regenbogenfarben.
Wer hingegen seinen Hunger bändigen wollte, konnte nur zwischen wenigen, aber diversen Darreichungsformen von Wurst wählen. Wer’s vegetarisch haben wollte, konnte höchstens auf Crêpes umschwenken. Aber das war ja schließlich keine Feinkost-, sondern eine Tattoo-Messe. So kamen denn auch viele der anwesenden Tattoo-Studios aus dem mittelhessischen Umland - aus Grünberg, Borsdorf oder Herbstein.
Aber auch die Metropolen des Landes waren vertreten: Tätowierer aus Hamburg, Berlin oder Stuttgart waren vor Ort. Und auch aus den weiter entfernteren Gegenden konnte man sich authentische Tattoos stechen lassen, wie am Stand von AS-Tattoo. Das Studio liegt zwar in der Nähe von Frankfurt, aber die Künstler, eine balinesische Familie, brachte authentische indonesische Motive unter die Haut. Dass Studios als Familienbetrieb geführt werden, scheint dabei keine Ausnahme, an etlichen Ständen waren Brüder, Schwester, Väter und Söhne gemeinsam am Werk.
So auch bei »Skin Line Tattoo« aus Baden-Baden, wo der Sohn das Studio gründete, später die künstlerisch begabte Mutter einstieg, während sich der Vater um die Geschäftsführung kümmert. Auch das »Blueline« Studio liegt mit mehreren Dependancen in Berlin, Stuttgart und Linz in Familienhand.
Gießen, Mailand, London
Sam vom Berliner Studio erzählt, dass er mit dem Veranstalter, der rund zwölf Conventions bundesweit auf die Beine stellt, eigentlich regelmäßig unterwegs ist: »Ich bin gerne auf Tour, das ist wie eine große Familie. Man trifft immer wieder Bekannte und kommt in der Welt herum. Ich mache knapp 30 Messen pro Jahr, demnächst geht es noch nach Mailand und London,« berichtet er.
So sind auch ein Großteil der anwesenden Stände Stammkunden, die mit auf die Reise gehen. Auf der Bühne in der ersten Halle wurden täglich in unterschiedlichen Kategorien - wie »Best of Realistic«, »Best of Black and Gray« oder »Best of Crazy« - die besten Arbeiten ausgezeichnet. Für die Künstler gab es Pokale, die Kunstwerk-Tragenden konnten sich über eine herausragende Arbeit am eigenen Körper freuen. Unter der Jury befand sich auch der aus der RTL und Sat1-Ecke bekannte Tätowierer Daniel Krause.
Ansonsten war das Rahmenprogramm überschaubar, ein Gitarrist spielte die größten Hits der letzten 50 Jahre und Damen an der Pooldance-Stange gab es auch. Veranstalter Marco Dörr meinte: »Zu laute Bands und Events auf der Bühne sind auf die Dauer sowohl für die Aussteller als auch für die Besucher zu anstrengend. Schließlich hat die Veranstaltung ja schon ein besonderes Hauptprogramm und das sind die Tattoos selber.«