Naturpoesie aus ländlichem Oberhessen

Goßfelden (red). Hervorstechend im Werk des Marburger Malers Otto Ubbelohde (1867 -1922) sind die einprägsamen Landschaftsbilder seiner oberhessischen Heimat. Im Wohn- und Atelierhaus in Goßfelden bei Marburg ist jetzt eine kleine Ausstellung seiner nicht minder bekannten Märchenbild-Illustrationen zu sehen.
Ubbelohdes Beschäftigung mit den Märchen begann schon in seiner Zeit in München. Dort schuf er 1897/98 ein großes Pastell-Triptychon zum Grimm-Märchen von der Gänsemagd. In der Goßfeldener Ausstellung zu sehen ist eine vorbereitende Kreidezeichnung dazu. Es folgte der 20-teilige farbige »Märchenfries für ein Kinderzimmer - Die sieben Raben« für ein vom Architekten Karl Bertsch gefertigtes Kinderzimmer, das in der »Großen Deutschen Kunstausstellung« in Dresden 1899 gezeigt wurde. Da es nicht verkauft werden konnte, nahm Ubbelohde es wieder mit und montierte den größten Teil in seinem Atelier in Goßfelden, wo es zusammen mit dem Rabenfries zu sehen ist.
In den Jahren 1899 bis 1902 entwarf der Maler dann Bildteppiche für die Kunstwebschule Scherrebeck bei Schleswig, wovon ein Exemplar die Ausstellung ziert.
Ubbelohdes Märchenbild-Schaffen kristallisiert sich in dem Mammutwerk mit 448 Illustrationen für die Gesamtausgabe der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, erschienen 1907 bis 1909. Es folgte ein Mappe mit Radierungen zum Märchen »Der Eisenhans« und eine farbige Märchenpublikation »Der Schwab, der Schneider und der liebe Herrgott«.
Das Märchengeschehen ist immer in Landschaft eingebettet. Dabei ist Landschaft nicht mit Natur gleichzusetzen. Landschaft ist immer vom Menschen gestaltete und veränderte Natur, erkennbar an Dörfern, Häusern oder Ackerflächen. In ihrem Vorwort zu ihrer Märchensammlung sprechen die Brüder Grimm von den Märchen als einer Art Naturpoesie. Für sie sind die Märchen eine Einheit der Natur mit den in ihr lebenden Menschen und das wird auch zur programmatischen Absicht Ubbelohdes, die er bildlich umsetzt.
Auch die Ideen der Bewegung der »Lebensreform«, der sich der Maler zeitlebens verpflichtet fühlte, spiegeln sich in seinen Märchenillustrationen wider. Das »Zurück zur Natur« wird auf den Bildern im Verhältnis des Menschen zu sich selbst und zu seinem Körper erkennbar, etwa wenn man die Kleidung der Figuren betrachtet, die nicht selten auch nackt sind, wie etwa im Märchen »Das Marienkind« oder »Rapunzel«. Wer genau hinschaut, kann auch eine neue Rollendefinition der Frau erkennen. Dominante Frauengestalten in der Verkörperung der Naturkräfte sind nicht selten. Dafür steht nicht nur »Frau Holle«. So eröffnen Ubbelohdes Märchenbilder den Betrachtern einen guten Zugang zu seinem Denken und der künstlerischen Passion.
Die Ausstellung im Atelierhaus von Otto Ubbelohde ist bis zum 14. Mai zu sehen, immer sonntags von 13 bis 16 Uhr sowie nach Vereinbarung.