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Neu entdeckter Grenzverlauf

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Wenn die Kleinlindener hier feiern, feiern sie in der Nachbarstadt Linden. Foto: Wißner © Wißner

Ein Zufall bringt es an den Tag: Das Freizeitgelände »Am Bacheler« in Kleinlinden liegt in Lindener Gemarkung - und nicht, wie seit Jahrzehnten geglaubt, auf dem Gebiet der Stadt Gießen.

Gießen /(Klein-) Linden . »Herzlich willkommen in Linden!« So begrüßte Lindens Bürgermeister Jörg König jüngst die Besucherinnen und Besucher auf dem Freizeitgelände »Am Bacheler« in Kleinlinden. Der Ortsverein Kleinlinden/Leihgestern im Bund der Vertriebenen (BdV) hatte dorthin zur Sonnwendfeier eingeladen. Manchem Zuhörer mag das gar nicht aufgefallen sein, andere vermuteten, der Redner wisse vielleicht nicht genau, wo er sich gerade befinde. Der BdV-Vorstand musste zumindest schmunzeln, denn tatsächlich lag König richtig; er stand auf Eigentum der Stadt Linden. Für viele eine neue Erkenntnis - und alles in allem doch ziemlich kurios.

Bereits seit fast vier Jahrzehnten bittet der BdV für Veranstaltungen auf dieses an die Markwaldsiedlung und den Kleinlindener Friedhof angrenzende Areal. Aufgrund der Corona-Pandemie musste in den vergangenen beiden Jahren natürlich auf die Feiern verzichtet werden. Nun aber reichte der Vorstand wie gewohnt einen Antrag zur Genehmigung von Sonnwendfeier und sich anschließendem Straßenfest ein. Adressat war das Gießener Ordnungsamt.

Da bei der Sonnwendfeier ein großer Holzstapel entzündet wird, schaute auch zunächst ein Mitarbeiter des Amtes für Brandschutz vor Ort vorbei - und stellte fest, dass die Universitätsstadt hier gar nicht zuständig ist, weil es sich um Lindener Gemarkung handelt. Das sorgte erst einmal allseits für Verwunderung, denn immerhin hat die Stadt Gießen vier Jahrzehnte lang eine Genehmigung erteilt. Also wandte sich der BdV-Vorsitzende Roland Jankowsky an das Ordnungsamt in Linden. Auch Ordnungsamtsleiter Tim Schneider und der Bürgermeister reagierten sichtlich überrascht ob dieses Anliegens. Nach einem Blick in die Karten und nach einer Ortsbesichtigung von Schneider genehmigte dieser die Doppel-Veranstaltung. Allerdings war es der Nachbarstadt natürlich nicht möglich, wie gewünscht die »örtliche Feuerwehr« für den Brandschutzdienst zu verpflichten. Und so kamen die Kleinlindener Brandschützer im Tausch mit der Wehr aus Großen-Linden zum Einsatz.

Doch welche Konsequenzen ergeben sich nun aus der »Neuentdeckung« zum exakten Grenzverlauf zwischen Linden und Gießen? Magistratssprecherin Claudia Boje bestätigt den Sachverhalt und zeigt sich ebenfalls erstaunt: »Ja, die Gemarkungsgrenze läuft dort wirklich ein wenig verwirrend und ungewöhnlich. Und das ist in der Tat jetzt erst in Vorbereitung der Feier aufgefallen. Ist aber so. Deshalb gilt, und das weiß der Verband, dass künftig Feiern in Linden zu beantragen sind«.

Keine Amtshilfe

Damit jedoch nicht genug der Kuriositäten: Am Eingangstor zu dem Gelände, das vom Gießener Gartenamt gepflegt wird, hängt nämlich eine Hinweistafel vom »Magistrat der Universitätsstadt Gießen - Liegenschaftsamt«, der für dieses Gebiet wie inzwischen bekannt überhaupt nicht verantwortlich ist. Aber egal, ob nun Gießen oder Linden - dies gilt in jedem Fall: »Die Ablagerung von Müll, Schutt und anderen entsorgungspflichtigen Reststoffen ist auf dem städtischen Grundstück verboten. Zuwiderhandlungen werden als Ordnungswidrigkeit geahndet.«

Die Lindener würden es begrüßen, wenn Veranstaltungen an dieser Stelle weiterhin wie in der Vergangenheit im Gießener Rathaus genehmigt werden könnten - sozusagen im Sinne einer »Amtshilfe«. Dem erteilt Claudia Boje indes eine Absage, schließlich habe es sich hier keineswegs um Amtshilfe gehandelt, »sondern schlicht um die bislang falsche Vorstellung, dass das Gießener Gebiet ist«. Nun sei jemand darauf gekommen nachzufragen und dabei habe sich eben herausgestellt, dass dem nicht so ist.

Beim 36. Straßenfest der Markwaldsiedlung war übrigens auch Gießens ehrenamtliche Stadträtin Monika Heep zu Gast, wohl nicht wissend, dass sie eine Veranstaltung in der Nachbarstadt besuchte. Das erste Straßenfest machte seinem Namen tatsächlich noch alle Ehre, denn es wurde auf der Straße gefeiert - damit auch in Kleinlinden und nicht wie seit über 30 Jahren im benachbarten Linden.

Es mutet schon kurios an, dass selbst nach Auflösung der Stadt Lahn sowie der Neuordnung Gießens nichts davon bemerkt worden ist. Bekannt war, dass die Markwaldsiedlung, die viele aufgrund ihrer Bebauung auch als »Tennisschlägersiedlung« kennen, einst zur Großen-Lindener Gemarkung gehörte. Heute ist sie unstrittig ein Teil von Kleinlinden. Demnach dürfte wohl zu irgendeinem Zeitpunkt rund um die Stadt Lahn und den Zusammenschluss der Stadt Linden 1977 etwas falsch gelaufen sein. Eines verdeutlicht der neuentdeckte Grenzverlauf aber auf jeden Fall: Die Stadt Gießen ist flächenmäßig sogar noch kleiner als angenommen.

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Zuwiderhandlungen werden geahndet - ob von Linden oder Gießen. Foto: Wißner © Wißner

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