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Neuanfang nach Ausnahmezustand

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Vom heimischen Computer zurück in den Hörsaal: Die Gießener Hochschulen starten in dieser Woche in das erste Präsenzsemester seit Pandemiebeginn. Die Masken müssen aber drinnen noch aufbleiben - so wie hier am JLU-Campus Licher Straße. © Mosel

Vier Semester digitales Lernen sind vorbei: JLU und THM starten in Gießen in das erste Präsenzemester seit Beginn der Corona-Pandemie

Gießen . Es ist ein ungewohntes Bild nach vier Semestern in der Pandemie: Auf dem Parkplatz am Philosophikum I der Justus-Liebig-Universität (JLU) reiht sich ein Auto an das andere, nur noch wenige freie Parkplätze sind zu finden. Vor dem Eingang des Hörsaalgebäudes haben sich kleine Menschentrauben gebildet, Studierende warten auf den Beginn des nächsten Seminars oder der nächsten Vorlesung. »Es ist aufregend, wie am ersten Schultag. Ich habe hier noch nie so viele Menschen gesehen«, sagt Fiona und lacht. Für die 19-jährige Psychologiestudentin ist es das zweite Semester - und das erste unter halbwegs normalen Bedingungen.

Zwei Präsenzseminare habe sie in ihrem ersten Semester belegt, alles andere sei digital gewesen. Sie muss sich jetzt erstmal am Campus orientieren. Denn auch die Einführungswoche, während der die Studierenden sowohl ihre Kommilitonen als auch die Hochschule kennenlernen, fand coronabedingt weitgehend digital statt. Ihre Mitstudierenden kennt sie trotzdem schon: »Man hat sich dann abends zusammengesetzt. Aber jetzt werden wir uns häufiger sehen.«

Waffeln zur Begrüßung

Am Philosophikum II rühren derweil Friederike Alt, Pablo Höfer und Michael Rothenbucher die Werbetrommel für die Fachschaft Erziehungswissenschaft. Zur Begrüßung im neuen Semester haben die drei einen kleinen Stand vor dem Haus B aufgebaut, wo sie frisch gebackene Waffeln und Punsch gegen eine kleine Spende verteilen. »Wir versuchen jedes Semester eine Aktion zu machen, um uns bei den neuen Studierenden vorzustellen. Aber diesmal war es uns besonders wichtig«, sagt Höfer.

Denn durch die Corona-Pandemie sei nahezu die ganze studentische Kultur »eingeschlafen«, manch einer habe auch sein Engagement in der Fachschaft beendet. Die Aktiven haben Sorge, dass nicht genug Studierende nachkommen, weil sie Uni und Kommilitonen vor allem digital erlebt haben. Die Fachschaft will sich daher zum Start der Vorlesungszeit auch in den Veranstaltungen präsentieren und hofft auf reichlich Besucher zum Start der Fachschaftstreffen in der kommenden Woche. »Das Studium ist mehr, als nur Zeit in den Seminaren abzusitzen«, findet Höfer. »Man sollte sich untereinander austauschen und gerne am Campus sein.« Im Moment biete aber gerade das Philosophikum II mit den laufenen Umbaumaßnahmen wenig Aufenthaltsqualität. Auch in den Mensen und Bibliotheken fehle es an Räumen, um in der Gruppe zusammen zu sein.

»Nach über zwei Jahren Corona-Ausnahmezustand tut es gut, endlich wieder so viele Studierende an der JLU zu sehen«, fasst es JLU-Präsident Joybrato Mukherjee in seiner Videobotschaft zum Start des Sommersemesters zusammen. Auf diesen Neuanfang habe man lange hingefiebert. Mukherjee lädt die Studierenden dazu ein, ihre Uni nach den digitalen Semestern »endlich auch im wahren Leben zu entdecken«. Die Freude über den Start ins Präsenzsemester sei angesichts der anhaltenden Pandemie und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine aber getrübt.

Auch an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) ist wieder Leben eingekehrt. An einem Holztisch in der Wiesenstraße sitzen die Architektur-Studentinnen Rosa Freidel und Lisa Claus in der Sonne und machen eine Kaffeepause. »Ich bin sehr froh, dass wir jetzt wieder vor Ort sind«, sagt Rosa Freidel. Die junge Frau ist im ersten Semester, hatte aber zuvor bereits drei Semester BWL studiert - und dabei nur ein Präsenzsemester erlebt. Das Alleinsein sei ihr schwer gefallen. Ihre Entscheidung, das BWL-Studium abzubrechen, habe zwar vor allem am Studiengang gelegen, »aber Corona hat es sicher nicht besser gemacht«.

Auch für Lisa Claus ist es der zweite Studiengang. 2020 hatte sie sich zunächst an der JLU für Jura eingeschrieben. »Ich habe direkt nach dem Abi im Coronajahr gestartet«, erinnert sie sich. Abgesehen von den Klausuren sei ihr bisheriges Studium daher komplett digital gewesen. Trotzdem habe es gut funktioniert: »Ich hatte Angst, dass ich keinen Anschluss finden würde. Aber die Situation war ja für alle gleich.« Freundschaften, die sie in der Online-Einführungswoche geknüpft hatte, hätten nach wie vor Bestand.

Einige Meter weiter steht vor dem Gebäude A10 eine Gruppe Erstsemester. Auch hier haben einige bereits Erfahrung mit einem Studiengangwechsel - und mit dem Lernen in der Pandemie. So wie die 23-jährige Madita, die vom Studiengang Eventmanagement und -technik zu Social Media Systems wechselte. »Mein erstes Semester war noch in Präsenz und richtig schön. Dann kam Corona.« Mit der Pandemie sei es ihr schwer gefallen, sich zu organisieren. Statt zu lernen, habe sie die zusätzliche Freizeit genossen oder gejobbt. Irgendwann sei sie nicht mehr hinterhergekommen: »Ich wäre eigentlich im sechsten Semester gewesen, aber vom Wissensstand her war ich im zweiten.« Hätte sie mehr Kontakt zu Kommilitonen vor Ort gehabt, hätten diese sie wohl »mitgezogen«, vermutet die 23-Jährige.

Maskenpflicht

Aber auch wenn es an den Hochschulen wieder voll ist, ganz ohne Einschränkungen läuft es nicht. »Man sieht es an den Masken, Corona ist immer noch präsent«, betont Nicklas Mertke, der sich nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann umorientiert hat und nun Social Media Systems studiert. Während die Maskenpflicht an den meisten Orten gefallen ist, gilt sie an JLU und THM in den Innenräumen weiterhin.

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Pablo Höfer, Michael Rothenbucher und Friederike Alt (v.l.) von der Fachschaft Erziehungswissenschaft verteilten frisch gebackene Waffeln zur Begrüßung. © Pfeiffer

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