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»Neue Chancen für alte Bekannte«

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Interessiert lauschen die Teilnehmer den Ausführungen von Michael Jaeger (re.) . Foto: Zielinski © Zielinski

Steifer Lauch und Sumpflöwenzahn: Ein Rundgang mit Michael Jaeger zu Erhaltungskulturen im Botanischen Garten in Gießen führte die Teilnehmer zu schützenswerten Pflanzen.

Gießen. »Seit der Biodiversitätskonferenz im Jahr 2009 ist Deutschland zur Erhaltung geschützter Pflanzen verpflichtet«, stellte Michael Jaeger, Gartenmeister des Botanischen Gartens Gießen, fest. Unter dem Motto »Neue Chancen für alte Bekannte« veranstaltete der Kreisverband Gießen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Führung zum Thema »Erhaltungskulturen«. Dabei geht es darum, Pflanzen zu schützen, die naturgemäß in Hessen wachsen, aber als bedroht eingestuft werden.

Gründe für die Gefährdung sieht Michael Jaeger neben klimatischen Veränderungen, die unter anderem nährreiche Überflutungen seltener machen, auch in menschlichem Verhalten. Aus diesem Grund ist das Ausreißen gefährdeter Pflanzen verboten und es gibt Auflagen bei Bauvorhaben in den Naturschutzgebieten. Weil diese Sicherheitsvorkehrungen häufig nicht ausreichen, sammelt das Team des Botanischen Gartens bedrohte Pflanzen, entnimmt ihnen Samen und siedelt sie zur Erhaltung erneut an.

Anders als bei gefährdeten Tieren, ist es dem Gartenmeister zufolge bei Pflanzen eher selten, dass sogenannte Samenbanken erstellt werden. Diese Konservierung von Spermien zwecks künstlicher Befruchtung findet deutschlandweit derzeit nur in vier Botanischen Gärten statt. Für besonderes Interesse bei den rund 30 Besuchern sorgte ein Beet, das nur Pflanzen enthielt, die in Hessen bereits ausgestorben sind. Diese dürfen nicht erneut in der Natur angesiedelt werden, weshalb die BUND-Mitarbeiterin Andrea Malkmus sie als »Mumien« bezeichnete.

Einmalig in Hessen

»Viele unbekannte Pflanzen werden nicht geschützt, weil sie nicht so schön aussehen«, bemerkte Michael Jaeger. Ironischerweise müsse der Botanische Garten jedoch auch geschützte Pflanzen kultivieren, die sehr häufig vorkämen. Dies sei zum Beispiel bei der Eibe der Fall, die so oft gepflanzt werde, dass die eigentlichen Naturbestände schwinden würden.

Der Botanische Garten Gießen sieht sich besonders dafür in der Verantwortung, Pflanzen zu schützen, deren Wachstum in Hessen deutschlandweit einmalig ist. Als Beispiel dafür zeigte der Freiland-Gartenmeister den Steifen Lauch. Dieses Lauchgewächs sei vor allem in asiatischen Ländern, aber auch an zwei hessischen Standorten ansässig. Weil auf einem Beet Pflanzen mit verschiedenen »Ansprüchen« wachsen würden, müsse der Boden abgeändert sein. Je nach benötigter Trockenheit oder Feuchte, seien mehr Steine oder mehr Erde ausgelegt worden.

Während des Rundgangs stellte Michael Jaeger auch den inzwischen selten gewordenen Sumpflöwenzahn vor. »Es gibt nicht nur den einen Löwenzahn«, betonte der Experte. Aufgrund der benötigten feuchten und salzigen Umweltbedingungen könne diese Art von Löwenzahn fast nur noch auf ausgewählten Flächen in der Wetterau wachsen.

Auf Rückfrage stellte der Gartenmeister fest, dass viele Pflanzen aus anderen Botanischen Gärten übernommen worden seien. Eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Botanischen Garten Frankfurt führe zu erfolgreichen Auswilderungen. Jedes Jahr treffen sich Vertreter verschiedener Gärten und versuchen, zusammen möglichst viele der gefährdeten Pflanzenkulturen zu erhalten.

Wenn in der Natur vorkommende Wildgewächse sich nicht mehr vermehren können oder in ihrer Häufigkeit rückläufig sind, dann landen sie laut Jaeger auf der roten Liste der gefährdeten Pflanzen. Diese werde alle zehn Jahre aktualisiert und enthalte derzeit über 100 hessische Wildpflanzenarten.

»Das Kultivieren seltener Pflanzen ist früher naturwissenschaftlich begründet gewesen«, erläuterte der Experte. Inzwischen sei dies jedoch ein wichtiger Schritt, um Artenvielfalt und Schutz der hessischen Natur zu garantieren. Weil der Botanische Garten in Gießen zur Justus-Liebig-Universität gehört, sieht Michael Jaeger es zusätzlich als Hauptaufgabe an, den Studierenden genügend Wildgewächse für Untersuchungen zur Verfügung zu stellen.

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