Neue Chancen für »Cold cases«

Der Hessische Justizminister Roman Poseck (CDU lobt die Arbeit der Staatsanwaltschaft Gießen. Vor Ort sprach er mit Behördenleiterin Sehlbach-Schellenberg und Oberstaatsanwalt Hauburger.
Gießen . Mord verjährt nicht. Regelmäßig bekommt daher auch die Gießener Staatsanwaltschaft Akten von Mord- und Totschlagsdelikten zur Wiedervorlage auf den Tisch, die zum Teil mehrere Jahrzehnte zurückliegen und bislang nicht aufgeklärt werden konnten. Als Justizminister Roman Poseck (CDU) am Montag die Gießener Staatsanwaltschaft besuchte, sprach er mit der stellvertretenden Behördenleiterin Ute Sehlbach-Schellenberg und Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger über die besonderen Erfolge der Behörde bei der Aufklärung solcher »Cold cases«.
Mörder sollten sich nie sicher fühlen
»Diese Fälle liegen uns deutlich am Herzen«, sagte Sehlbach-Schellenberg. »Auch wenn der Fall alt ist, schulden wir den Angehörigen die Aufarbeitung«, ergänzte Hauburger. Außerdem sollten sich die Mörder niemals sicher fühlen. 20 solcher »Cold cases«, die seit 1980 vorgefallen sind, werden derzeit unter Regie von Hauburger bearbeitet.
»Die Wiedervorlage bietet auch jedes Mal eine neue Chance und ist wie eine Reise in die Vergangenheit«, schilderte der Oberstaatsanwalt. Es gebe eigentlich auch keinen Fall, in dem nichts mehr möglich sei. »Wir ergreifen jede Chance, die wir haben.« Neue Ermittlungsmethoden böten auch neue Möglichkeiten der Aufarbeitung.
Bestes Beispiel sei der Mord an der achtjährigen Johanna Bohnacker. Der Fall von 1999 konnte rund 18 Jahre später aufgeklärt werden. Aktuell ist die Gießener Behörde den Taxi-Morden von 1988/89 auf der Spur.
»Die Staatsanwaltschaft Gießen leistet hervorragende Arbeit, insbesondere im Umgang mit besonders schwierigen und schweren Verfahren«, lobte Justizminister Poseck. »Sie spielt hier hessenweit eine zentrale Rolle.« Er merkte auch an, dass Oberstaatswalt Hauburger sein Wissen und Know-how anderen hessischen Behörden bei Fortbildungen zur Verfügung stelle.
Der Justizminister sprach auch das Thema »Strafmündigkeit von Minderjährigen« an und bezog anlässlich der Tat im siegerländischen Freudenberg Stellung. »Die Änderung des Alters für die Strafmündigkeit ist der falsche Weg. Strafrecht und Strafvollzug sind für Kinder nicht geeignet«, stellte Poseck klar. »Für Kinder stehen Maßnahmen des Familienrechts sowie des Kinder- und Jugendhilferechts zur Verfügung. Eine Änderung würde solche schrecklichen Einzelfälle nicht verhindern.«
Auf die steigende Zahl der Fälle im Zusammenhang mit den Klimaaktivisten angesprochen sagte Poseck: »Ich sehe die Gefahr einer weiteren Radikalisierung, habe aber auch die Hoffnung, dass die Aktivisten auf den Pfad des Rechtsstaates zurückkehren und die erlaubten Möglichkeiten des Protests nutzen.« Straftaten könne man nicht tolerieren.
Personeller Zuwachs
Ute Seelbach-Schellenberg freute es, aus dem Ministermund zu hören, dass auch die Gießener Staatsanwaltschaft mit personeller Verstärkung rechnen darf - in allen Bereichen. »Das ist eine tolle Zusage für uns«, so die stellvertretende Behördenleiterin.
Der bisherige Behördenleiter Dr. Michael Bolowich wurde im Februar 2023 zum stellvertretenden Generalstaatsanwalt ernannt und arbeitet nun in Frankfurt. Die Leitungsstelle in Gießen ist derzeit ausgeschrieben.