- VonBjörn Gaugesschließen
Gießen. Das hatte vor rund 15 Jahren vermutlich niemand der damals Verantwortlichen im Rathaus erahnt, als die Kunsthalle Gießen in einem Seitentrakt des dortigen Erdgeschosses eröffnet wurde: Diese Galerie für zeitgenössische Arbeiten aus dem Bereich Objekt, Malerei, Fotografie, Video und Installation hat sich seither zu einem Ort mit Renommee und Strahlkraft weit über die Stadt- und Kreisgrenzen hinaus entwickelt.
Anders lässt sich nur schwer erklären, wie wenig bei der Einrichtung dieses Orts konzeptionell auf die Belange der Kunst und Künstler eingegangen wurde. Das hat sich nun geändert: Durch umfassende Sanierungsmaßnahmen wird die Kunsthalle seit Juni 2022 auf den Stand der aktuellen Anforderungen gebracht. Die Kosten dafür betragen rund eine Million Euro. Neubeginn nach der langen Schließung ist laut Plan am 14. April - mit der nächsten Ausstellung.
Bei einer Baustellenbesichtigung am gestrigen Montag erläuterten Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher und Stadträtin Astrid Eibelshäuser, Kunsthallenleiterin Dr. Nadia Ismail sowie drei Vertreter des Gießener Hochbauamts - Jutta Müller, Thomas Michel und Deniz Ulusoy-Baysay - den Stand der Dinge. Größtes technisches Problem war demnach die Lüftungsanlage, die sich nicht individuell regeln ließ, sondern mit dem benachbarten Hermann-Levi-Saal gekoppelt war. Hinzukam eine Fußbodenheizung, die warme Luft auch an den Wänden nach oben steigen ließ, was der dort hängenden Kunst nicht immer guttat. »Auf Dauer war das nicht mehr tragbar«, befindet die seit 2018 als Kunsthallenleiterin amtierende Nadia Ismail, die seitdem viele internationale Gäste in die Stadt gelockt hat. Zumal von diesen Künstlern und Leihgebern bisweilen »Klimaprotokolle« eingefordert worden seien, mit denen dokumentiert werden sollte, dass für die nach Gießen vergebenen Werke annehmbare klimatische Bedingungen herrschen. Dafür wurde auch der Löwenanteil der Kosten aufgewendet: 600 000 Euro, wie Deniz Ulusoy-Baysay vom Hochbauamt beziffert.
Nun ist zwar von den geleisteten Arbeiten in dem leeren Raum nicht viel zu sehen, das meiste an Sanierungsarbeiten ist aber mittlerweile erledigt. Dazugehört neben dem Einbau der eigenständigen Klimaanlage zum Heizen, Kühlen und Entfeuchten auch ein neuer Boden. Statt des bisherigen Holzparketts gibt es nun einen grauen Sichtbeton-Estrich, der neutraler wirke und die Werke damit künftig besser zur Geltung kommen lasse, wie Nadia Ismail erklärt. Überhaupt freut sie sich, dass die Künstler nun deutlich bessere Bedingungen vorfinden, wenn sie die Ausstellungsfläche bespielen. Dazu zählt auch die modernisierte technische Ausstattung, die es erlaube, unterschiedliche Lichtsituationen zu schaffen und auch die stetig zunehmenden digitalen Arbeiten - Stichwort: künstliche Intelligenz - besser in die Ausstellungskonzepte zu integrieren. Und sie freut sich über ein eigens eingerichtetes, räumlich abgetrenntes Kabinett am Ende des rund 400 Quadratmeter großen Raums, in dem Videos auf eine große Wand projiziert werden können.
Eingang künftig von der Straße aus
Die aber äußerlich bedeutendste Neuerung ist das neue Entree der Kunsthalle. Denn künftig müssen die Besucher nicht mehr durch den großen Eingangsbereich des Rathauses laufen, sondern finden einen direkten, barrierefreien Zugang über die Straße Berliner Platz. »Es ist eine Gelegenheit, die Kunsthalle näher an die Stadt zu rücken«, verdeutlicht Frank-Tilo Becher.
Dort, wo das große Schaufenster auf die Ausstellungen hinweist, wird derzeit ein Empfang errichtet, der vor der großen Zwischenwand sogar noch Platz für einen kleinen Shop lässt, bevor die Besucher in den Saal geleitet werden. Ehrenamtliche Mitarbeiter finden dort Platz und können auch über Kameras und Monitore kontrollierenden Einblick in die Ausstellung nehmen, ohne dem Publikum folgen zu müssen. Ein Schriftzug im Außenbereich soll den Passanten zudem deutlich machen, was sich hinter dieser Mauer verbirgt. Schließlich weiß manch ein Gießener bis heute nicht, dass es im Rathaus moderne Kunst zu entdecken gibt.
Noch wird am Feinschliff gearbeitet. »Es wird eine Punktlandung«, vermutet Nadia Ismail. Aber am 14. April werde es neue Kunst zu sehen geben.