1. Startseite
  2. Stadt Gießen

Neuer Ansatz für bessere Arzneimittel

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Gesa Coordes

giloka_2104_uniMarbinaLi_4c
Molekularbiologe Florian Lindner. Foto: Coordes © Coordes

Marburg (gc). Mit seiner Erfindung könnte es eines Tages gezieltere Krebsmedikamente geben. Der Molekularbiologe Florian Lindner hat einen Weg entdeckt, das Injektionssystem von Krankheitserregern zu steuern. Für diese Forschung ist er nun mit dem Förderpreis für Bio- und Nanotechnologie von Stadt, Universität und Unternehmen ausgezeichnet worden.

Die Bakterien, die im Inkubator des Marburger Max-Planck-Instituts auf den Lahnbergen heranwachsen, haben eine leicht gelbliche Färbung. Es handelt sich um »Yersinia enterocolitica«, den »kleinen Bruder des Pesterregers«, der allerdings nur Durchfall, Erbrechen und Fieber auslöst. »Und dann müsste man die Bakterienkultur trinken, um sich anzustecken«, sagt Florian Lindner.

Der Nachwuchswissenschaftler hatte eine eigenwillige Idee: Er möchte die Fähigkeiten von Krankheitserregern dazu nutzen, Proteinarzneimittel gezielter einzusetzen. Besonders wichtig kann dies etwa bei der Behandlung von Krebstumoren sein. Sein Weg: Krankmachende Bakterien haben Mechanismen entwickelt, wie sie menschliche Zellen sehr effektiv befallen können. Dazu verwenden sie verschiedene Injektionssysteme. Besonders häufig ist das Typ3-Injektionssystem, mit dessen Hilfe sich jedes Jahr Millionen von Menschen infizieren. Es ist zum Beispiel für Krankheiten wie Pest, Cholera, Salmonellen und Typhus verantwortlich.

Lindners Grundfrage: Wie können wir dieses System so umprogrammieren, dass es auch nützliche Stoffe gezielt und kontrolliert transportieren kann - etwa Antigene für Impfungen oder Krebsmedikamente? Dazu nutzte er zugleich seine Erfahrungen aus der sogenannten Optogenetik, bei der etwa Nervenzellen mithilfe von Licht beeinflusst werden können. Und es gelang ihm, ein lichtkontrolliertes Injektionssystem zu schaffen. In der Dunkelheit bleibt es inaktiv. Mit Blaulicht könnte es jedoch - zum Beispiel in einem Tumor - aktiviert werden, um Krebszellen sehr gezielt zu töten. Das Verfahren hätte auch deutlich weniger Nebenwirkungen. »Das ist aber erst der erste Schritt«, sagt Florian Lindner. Er konnte in der Zellkultur zeigen, dass diese Methode funktioniert - mit diesem Thema hat er promoviert. Folgen müssten nun Versuche an Mäusen und mit Rotlicht, das tiefer ins Gewebe eindringen kann. Sind auch diese Experimente erfolgreich, könnten klinische Studien starten.

Für Lindners Erfindung hat die Max-Planck-Gesellschaft ein Patent angemeldet. »Bislang gab es keine Methode, das Injektionssystem schnell und dosiert zu steuern«, erläutert der 30-Jährige. Drei Jahre lang hat er daran gearbeitet. Tausende von Kolben mit Bakterienkulturen hat er angesetzt, um zu erfahren, wie und ob sie unter Blaulicht Krebszellen bekämpfen.

Der Nachwuchswissenschaftler mag die ungewöhnliche Forschung und das kreative Denken in der Wissenschaft. Aufgewachsen in einem Dorf in der Nähe von Sontra in Nordhessen, ging er zum Biologiestudium nach Erlangen, Göttingen und schließlich nach Marburg. Bereits in seiner Bachelor-Arbeit veredelte er Hefe so, dass sie Rosenduft herstellt. Seine Mutter, eine Floristin, war begeistert. Nun würde er gern in der Forschung bleiben. Derzeit arbeitet er als Postdoc an der Universität Zürich. Im Sommer wechselt er in ein Pharmalabor, in dem an neuen Krebstherapiemethoden gearbeitet wird.

Im Marburger Rathaus überreichte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies - zugleich Vorsitzender der Initiative Bio- und Nanotechnologie - den mit 5000 Euro dotierten Preis. Er lobte den »höchst originellen Ansatz« des Preisträgers: »Ihre Methode verspricht erhebliche Verbesserungen gegenüber herkömmlichen Therapieformen wie der Chemotherapie.«

Lindner ist bereits der neunte Preisträger des Förderpreises Bio- und Nanotechnologie, mit dem junge Forschende ausgezeichnet werden, deren Erkenntnisse einen hohen wirtschaftlichen Praxisbezug haben.

Auch interessant