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Neun der 321 Bussteige barrierefrei

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Von: Rüdiger Schäfer

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Zur Fertigstellung der Haltestelle »Tulpenweg« in der Rodtbergstraße in Richtung Reichenberger Straße fehlt nur noch die vor dem Umbau bereits vorhandene Überdachung mit Sitzbänken. Foto: Schäfer © Schäfer

Im Behindertenbeirat der Stadt Gießen stellte der zuständige Koordinator Jonas Rentrop einen Bericht zur Barrierefreiheit im ÖPNV vor.

Gießen. Sieben bis acht Bushaltestellen will die Stadt pro Jahr barrierefrei umgestalten, berichtete Jonas Rentrop als städtischer Koordinator für Nahverkehr im Behindertenbeirat, dessen Sitzung von Martina Ertl geleitet wurde. Dies bedeute zum einen einen finanziellen Aufwand von 200 000 bis 250 000 Euro pro Bushaltestelle. Zum anderen begrenzten auch die personellen Ressourcen die Anzahl der Planungen. Außer einem ebenerdigen Zustieg zum Bus müsse beim Umbau auch der Zugang zur Haltestelle barrierefrei geschaffen werden.

Weitere Anforderungen stellten ein taktiles Leitsystem als Orientierungshilfe für Blindenstöcke, kontrastreiche Gestaltung von Bodenfläche und Wartehalle, Lesbarkeit der Aushänge und Sitzgelegenheiten dar. Bei akustischen Informationen könne das Smartphone behilflich sein.

Zur Barrierefreiheit im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gehört auch das Businnere. Dazu zählten, so Rentrop, gut lesbare Fahrtzielanzeigen, eine kontrastreiche Gestaltung des Innenraumes, gut sichtbare Piktogramme zur Ausweisung von Behindertenplätzen, visuell und akustisch gute verständliche Informationen zu Haltestellen sowie barrierefreier Zugang zum Fahrpersonal. Bei der Bestandsanalyse zur Barrierefreiheit informierte der Nahverkehrskoordinator, dass von 321 Bussteigen im Stadtgebiet etwa die Hälfte bedingt barrierefrei sind. 2,7 Prozent sind vollständig barrierefrei - also neun von 321. 48 Prozent gelten als bedingt barrierefrei oder barrierearm, 44 Prozent als nicht barrierefrei. Nur etwa zehn Prozent seien bisher mit taktilen Leitsystemen ausgestattet. Von 17 Haltestellen (5,3 Prozent) liegen demnach keine Informationen vor.

Als Kriterien für die Priorisierung des Haltestellenausbaues nannte Rentrop die derzeitige Bussteighöhe, die Anzahl der Fahrten (wie viele Linien und welche Takte), vorhandene Gehweg- oder Fahrbahnschäden oder zu schmale Gehwege. Nach dem erfolgten Ausbau der Haltestelle »Tulpenweg« in der Rodtbergstraße in Richtung Reichenberger Straße würden als nächstes umgebaut in der Robert-Sommer-Straße, Max-Reger-Straße in beide Richtungen, Nordanlage in Richtung Oswaldsgarten, Wetzlarer Straße in Richtung Dutenhofen, im Schiffenberger Weg die Haltestelle Klingelbachweg stadteinwärts sowie ein Neubau am Gefahrenabwehrzentrum in beiden Richtungen. Der Wunsch aus dem Beirat, die Haltestelle »Ursulum« zu priorisieren, wurde mit der Begründung vorgetragen, dass dort tagtäglich rund hundert behinderte Menschen ein- und aussteigen würden.

Auch bei den Senioreneinrichtungen sollte die Stadt ein Augenmerk darauf haben, dass an den dortigen Haltestellen ausreichend Sitzgelegenheiten und Überdachungen vorhanden seien. Nicht nur an Menschen mit Behinderungen, sondern auch an Ältere müsse gedacht werden. »Blöderweise ist der Mengenbedarf nicht so groß, so dass diese Haltestellen aus dem Raster fallen«, bedauerte Rentrop.

Auch die Erreichbarkeit des Schiffenberges mit dem ÖPNV wurde thematisiert. Besonders Senioren möchten gerne auf den Schiffenberg fahren, hieß es. »Leider fahren die Busse nur an Wochenenden da hoch.« Rentrop antwortete, dass auch hier kein großer Bedarf vorläge. »Ein Bus zusätzlich mit Fahrer kostet 250 000 Euro im Jahr«, rechnete er vor. Entgegnet wurde, dass es um Daseinsvorsorge gehe. »Der Schiffenberg ist Kultur, was auch dazu gehört.«

Kornelia Steller-Nass forderte dazu auf, den Schiffenberg attraktiver zu gestalten, »sodass da auch mehr Menschen hinwollen.«

Rentrop fasste zusammen, dass ein »barrierefreier Ausbau aller Haltestellen kurzfristig nicht zu erreichen« sei. Allein beim Umbau von zehn bisher nicht barrierefreien Haltestellen pro Jahr erfordert dies einen Zeitbedarf von gut 15 Jahren. Rechnet man die barrierefreien in fast gleicher Anzahl hinzu, erstreckt sich dieser auf drei Jahrzehnte an Umbauzeit, bis alle barrierefrei sind.

Auch das Verhalten mancher Busfahrer wurde kritisiert: »Die achten nicht darauf, dass die Fahrgäste erst Platz nehmen können, bevor sie losfahren«, lautete ein Vorwurf. »Da sind schon etliche Unfälle passiert.« Immer wieder würde das Fahrpersonal sensibilsiiert, so Rentrop. »Mehr als Bitten und Betteln kann man nicht.« Busfahrer zu entlassen sei kontraproduktiv. Denn die Nachfrage nach Busfahrern würde damit gegenüber des bereits zu geringen Angebotes noch stärker anwachsen.

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