Nicht länger vor gesperrten Toren

Der August-Balzer-Weg in der Gießener Weststadt ist wieder öffentlich nutzbar. Die Stadt hat den Pachtvertrag mit der Messe Gießen GmbH gekündigt. Alles begann mit der Initiative des ADFC.
Gießen . So ein bisschen erinnert er mit seinem schnurstracken, relativ breiten Verlauf an eine alte Prachtstraße: der August-Balzer-Weg in der Weststadt, der zwischen Rodheimer Straße und Schlachthofstraße/An der Hessenhalle quer über das Messegelände führt. Wer diese Verbindung als Fußgänger oder Radfahrer nutzen möchte, steht jedoch seit Langem immer wieder auf beiden Seiten vor den verschlossenen massiven Gittertoren der Messe Gießen GmbH. Doch das ändert sich nun, die öffentliche Nutzung wird wieder möglich. Die Stadt hat zum 31. Dezember 2022 den Pachtvertrag mit der GmbH gekündigt, der dieser bislang »erlaubte, den Weg an Messetagen (plus Auf- und Abbau) zu sperren«, teilt auf Nachfrage des Anzeigers Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) mit.
»Fast dauerhaft zu«
»An diesen Vertrag hat sich die Messe nachweislich nicht gehalten, indem der Weg fast dauerhaft, per Gittertor, gesperrt war«, nennt der Politiker als Grund für diese vonseiten der Stadt »nach einigen Gesprächen« getroffene Entscheidung. Nach dem 31. Dezember könne der August-Balzer-Weg dann nur noch per verkehrsrechtlicher Anordnung gesperrt werden, so Wright weiter. In der Vergangenheit wurde eine solche Anordnung erlassen, um die Straße bei größeren Veranstaltungen zu sperren, was im Pachtvertrag festgehalten war, um das Ganze zu vereinfachen.
Dass es jetzt überhaupt so weit gekommen ist, ist vor allem der Initiative und der Beharrlichkeit des Gießener Kreisverbands des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) zu verdanken. Wie dessen Vorstandsmitglied Jan Fleischhauer in einer Pressemitteilung schildert, hätten er und die Seinen bereits 2019 Tiefbauamt und Straßenverkehrsbehörde der Stadt darüber informiert, dass laut ihren damaligen Recherchen der August-Balzer-Weg »für den öffentlichen Verkehr gewidmet ist, also von jedermann begangen und befahren werden darf«. Eine dauerhafte Sperrung sei demnach nicht zulässig. Und so wollte man es nicht länger hinnehmen, »dass ein Unternehmen eine Straße einfach in Besitz nimmt und so eine wichtige Strecke der Nahmobilität gekappt hat«.
Nachdem der ADFC bei der Stadt nicht den erhofften Erfolg mit seinem Anliegen erzielen konnte, wandte er sich an die nächsthöhere Stelle, das Regierungspräsidium (RP), um dort Straßenaufsichtsbehörde und Kommunalaufsicht auf das Problem aufmerksam zu machen. Wie der stellvertretende RP-Pressesprecher Thorsten Haas auf Nachfrage berichtet, habe dies zu einem umfangreichen Schriftwechsel mit der Stadt Gießen geführt, »der zum Hintergrund hatte, dass die Messe GmbH der vom Regierungspräsidium sowie der Stadt geforderten Öffnung des August-Balzer-Weges für den Rad- und Fußgängerverkehr nur sehr zögerlich nachgekommen ist«. Die hierzu von dieser Zeitung erfolgte Anfrage bei der Messe Gießen GmbH blieb unbeantwortet.
Und so wandte sich der ADFC schließlich an das hessische Verkehrsministerium in Wiesbaden, die in dieser Angelegenheit landesweit höchste Stelle, und wurde endlich erhört. Beim Ministerium überprüfte man den Sachverhalt und kam »in Übereinstimmung mit dem Regierungspräsidium Gießen als der zuständigen Straßenaufsichtsbehörde zu dem Ergebnis, dass diese Sperrung rechtswidrig ist«, teilt Pressesprecherin Franziska Richter mit.
Der ADFC zeigt sich nach all seinen letztlich erfolgreichen Bemühungen »erfreut«, dass das Ministerium gehandelt habe und somit »eine Klage vor dem Verwaltungsgericht nicht mehr nötig geworden ist«.