Nicht mit einem Fahrrad

Wer mit dem Fahrrad am Gießener Bahnhof unterwegs ist, stößt dabei auf so manche Hürde, die nicht für jeden zu überwinden ist. Kritik gibt es vor allem am Fahrstuhl am Parkhaus Lahnstraße.
Gießen . Beschwerden über die Aufzüge im Bahnhofsbereich haben jüngst erneut der Gießener Fahrgastbeirat erreicht. »Neulich war der Aufzug runter zu den Gleisen 2+3 wochenlang defekt«, lautete ein Kritikpunkt. Der Fahrstuhl am Parkhaus Lahnstraße sei gar Monate außer Dienst gewesen. Mit dem Hochbauamt habe er sich darüber bereits ausgetauscht, berichtete der städtische Behindertenbeauftragte Samuel Groß. »Es habe an den verspäteten Ersatzteillieferungen gelegen.« Wie ist die Situation bei einem Ortstermin?
Fast alle Aufzüge funktionieren. Erneut nicht benutzbar ist indes der Aufzug im Parkhaus an der Lahnstraße. Ein »Out-of-Order«-Schild gibt es nicht. Wie man nun mit schwerem Gepäck oder Fahrrad zum Bahnhof gelangen kann? Kein Hinweis. Unlösbares Problem für Reisende mit Fahrrad bei den Fahrstühlen am Übergang an den Gleisen 2/3 und 4/5. Hier passen keine Fahrräder hinein. Gewichtige E-Bikes vorne hochheben, ist Älteren und Frauen kaum möglich. Diese beiden Aufzüge sind aus unerfindlichen Gründen kürzer als all die sieben anderen. Und wie hinunter zum Gleis? Dutzende von Treppenstufen führen hinab. Vielleicht auf einer Fahrradschiene am Treppenrand, wie in vielen anderen Bahnhöfen des Landes? Doch Fehlanzeige, die gibt es hier nicht.
Für athletisch gebaute Menschen mag das alles kein so großes Problem darstellen. Sie wuchten das Bike einfach auf ihre Schultern und steigen damit die Stufen hinauf oder herab. Doch mit einem E-Bike dürften selbst sie Probleme haben. Auf Anfrage des Anzeigers teilte die Bahn mit: »Was das Thema Fahrradschienen an den Bahnsteigen 2,3 und 4,5 betrifft: Diese Treppen werden für den zweiten Fluchtweg benötigt. Eine Fahrradschiene würde die nutzbare Breite einschränken und die Menschen gegebenenfalls behindern, daher sind sie gemäß unserer Richtlinien nicht zugelassen.«
Die Stadt kommentierte dazu: »Wir halten uns hier an die aktuellen Bauvorschriften der Bahn. Hintergrund ist, dass es in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Fahrradschienen immer wieder zu Unfällen infolge eines versehentlichen Betretens gekommen ist.« Dann müsste die Fahrradschiene an der Wieseck-Treppe zwischen Frankfurter Straße und Lahnstraße wohl auch unfallträchtig sein.
Wer mit großem Fahrrad nach unten zu einem der Gleise 2, 3, 4 oder 5 muss? Über den Aufzug am Bahnsteig 1 hinunter. Dann auf dem Bahnsteig 1 entlang bis ganz ans Ende laufen. Danach nach links, um beim Gleis 11 mit dem Aufzug in die Tiefebene -1 hinunterzufahren. Alle fünf Aufzüge zwischen den Gleisen und der Tiefebene sind ausreichend groß für Fahrräder.
Wer dagegen mit dem Fahrrad auf Gleis 4 und 5 aus dem Zug ausgestiegen ist, nach oben über die Gleise zu seinem Auto im Parkhaus an der Lahnstraße oder über die Lahnstraße mit dem Rad in die Weststadt will, muss beim Aufzug aus bekannten Gründen kehrt machen: Zu kurz fürs Zweirad. Fährt er oder sie am anderen Ende des Bahnsteiges nach unten, so findet er/sie keinen Durchgang. Also muss er/sie bis zu Gleis 1+11 laufen, hochfahren, zum Bussteig 1, mit dem Fahrstuhl an Gleis 1 hochfahren und am Parkhauseingang wieder runter zur Lahnstraße. Falls die Lifte fahren. Und dann das Rad sieben Stufen hochwuchten, um auf die Ebene der Lahnstraße zu gelangen.
Regelmäßiger Austausch
Wann mit dem geplanten Durchstich des Tunnels zur Lahnstraße endlich begonnen wird? Auf die Frage im Fahrgastbeirat hatte Stadträtin Gerda Weigel-Greilich nur geantwortet: »Es wird so lange dauern, wie es in der Presse stand. Die Bahn ist derzeit personalmäßig überfordert.«
Im Raum steht die Frage, wieso zwei der vier Aufzüge über den Gleisen nicht Fahrrad-gerecht sind? Da darf der Bahn keine Schuld zugewiesen werden. In der Fahrgastbeiratssitzung informierte Jörg Klein, dort als Stellvertreter der Stadtwerke (SWG) anwesend, dass diese Fahrstühle nicht der Deutschen Bahn (DB) gehörten, sondern der Stadt. Auch wurde moniert, dass im Falle von defekten Aufzügen nirgends Hinweisschilder aufgestellt seien. Im Idealfall sollte bereits vor dem Parkhaus darauf hingewiesen werden. Weigel-Greilich: »Eine Beschilderung muss mit der Bahn abgesprochen werden, da die Bahn die Hoheit hat.« Dazu teilte eine Pressesprecherin der Bahn mit: »Die Aufzüge an den Bahngleisen sind Eigentum der Stadt Gießen.«
Der Aufzug an der Lahnstraße sei im Zuge des damaligen Verkaufs des Parkhauses an die Contipark International GmbH mit veräußert worden. »Wir befinden uns bezüglich der Fahrstühle im regelmäßigen Austausch mit den Eigentümern. In Bezug auf Fragen hinsichtlich der Beschilderung und Wartung möchten wir Sie direkt an diese verweisen.«
Auf die Anfrage an die Stadt, wer für die vier Aufzüge verantwortlich sei, die zum Steg über die Bahngleise führen, beschied Magistratssprecherin Claudia Boje: »Für den Steg ist die Stadt verantwortlich, für die beiden Parkhäuser an der Lahnstraße die Bahn.« Über den defekten Aufzug an der Lahnstraße gebe es auf städtischer Seite keine Kenntnis, »da dieser Aufzug der Bahn gehört«.
Und wie sieht bezüglich der angesprochenen Punkte die Kooperation mit der Bahn aus? »Hier konzentrieren wir uns auf die Unterführung zur Lahnstraße. Sie würde eine echte Verbesserung darstellen.« Dass die beiden mittleren Aufzüge über den Steg zu kurz seien, wird widersprochen. »Das ist so nicht ganz richtig. Wenn man den Lenker schräg hält oder das Rad ein wenig vorne anhebt, passt auch dort ein Rad hinein.«