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Nicht nur Radfahren lernen

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Von: Felix Müller

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Pädagogik auf zwei Rädern: Thomas Langner (li.) mit den studentischen Kräften, Lena Ronthaler und Andreas Schmidt, sowie einigen der teilnehmenden Jugendlichen. Foto: Müller © Müller

Mit pädagogischem Ansatz und gezielter Förderung: Das Diakonische Werk und Delta Bike bieten Gruppenangebote für Jugendliche in der Gießener Weststadt.

Gießen. Der Stadtteil Gießen-West gilt als sozial belasteter Bezirk. Ein niedriges Einkommensniveau, oft unvollständige Familien, die Hilfen zum Lebensunterhalt beziehen müssen und ein hoher Migrationsanteil mit Menschen aus rund 70 verschiedenen Herkunftsländern sind etwa als Gründe zu nennen. Dabei legen Sozialstrukturdaten aber ebenso offen, dass dieser Stadtteil den höchsten Kinderanteil aufweist. Andreas Schmidt, Diplompädagoge beim Diakonischen Werk Gießen, weiß diesen Faktor für sich zu nutzen und bietet in Kooperation mit der Firma Delta Bike seit knapp 20 Jahren wertvolle pädagogische Arbeit auf dem Mountainbike an - und richtet sich dabei speziell an Kinder und Jugendliche aus der Weststadt. Nun wurde das bestehende Angebot um einige Punkte erweitert.

Seit 2004 wird in der Gemeinwesenarbeit Gießen-West des Diakonischen Werkes Gießen mit Fahrrädern didaktisch gearbeitet, auch in Form von wöchentlich stattfindenden Arbeitsgemeinschaften (AGs). Knapp 30 Jugendliche besuchen mittlerweile regelmäßig diese Gruppenangebote, da sie selbst kein Fahrrad besitzen. Zur Verfügung gestellt werden die hochwertigen Mountainbikes von Thomas Langner und seiner in Wettenberg ansässigen Firma Delta Bike. »Thomas unterstützt uns bereits seit 20 Jahren intensiv. 30 Fahrräder in dieser Zeit, dass ist schon ein Wort. Ohne dieses hohe soziale Engagement wäre dieses pädagogische Konzept nicht denkbar,« danke Schmidt dem langjährigen Unterstützer. Für den Förderer »Ehrensache«: »Ich unterstütze so was gerne. Es ist wichtig, die Kinder weg vom Handy und raus in die Natur zu locken,« befand Langner beim Pressegespräch auf dem eigenen Firmengelände.

Der angesprochene naturpädagogische Ansatz ist dabei nur ein Punkt im Konzept von Andreas Schmidt. »Uns geht es in erster Linie darum, dass die Kids Spaß haben und dabei etwas mitnehmen. Aber das Radfahren als Medium kann so viel mehr und gute nachhaltige Lernsituationen und Erlebnisse schaffen.« So wird generell die Bewegung und Gesundheit gefördert, ebenso die Mobilität der Heranwachsenden und die daraus resultierende Wahrnehmung des Radfahrens als ökonomisch sinnvolle Alternative zur Fortbewegung.

Pädagogischer Ansatz

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die soziale Komponente. »Bei einem Ausflug mit einer Gruppe ist immer einer der Schnellste und einer der Langsamste. Die Kids lernen dabei, aufeinander zu achten und einen sozialen Umgang zu pflegen. Dafür ist das Fahrrad ein wunderbares Medium und für mich als Pädagoge toll, solche Prozesse zu moderieren,« erläuterte der Diplompädagoge. Auch die praktischen Fähigkeiten werden trainiert, indem die vorhandenen Fahrräder in der eigenen Werkstatt gewartet und Defekte unter Anleitung beseitigt werden. Was zu guter Letzt auch die beruflichen Perspektiven vergrößert. Der ein oder andere Jugendliche sei dadurch schon in den Ausbildungsberuf im Zweiradbereich vermittelt worden.

Alles wichtige, aber ebenso notwendige Punkte, um einem gefährlichen Trend in der Gesellschaft entgegenzuwirken: »Viele besitzen kein eigenes Fahrrad und sind zunächst unsicher in der Bewegung auf zwei Rädern. Dadurch besteht die Gefahr, dass, ähnlich wie beim Schwimmen, eine wichtige Kulturtechnik unserer Gesellschaft verloren geht. Wir müssen alle Gruppen mitnehmen für eine ökonomische Zukunft,« warnte Andreas Schmidt. Um das zu schaffen, wird dieser mittlerweile durch zwei ausgebildete studentische Kräfte unterstützt. Der »Fuhrpark« wurde außerdem um zehn Kindermountainbikes ergänzt. Zudem konnte durch die Kooperation mit der Sozialarbeit an Schulen des Landkreis Gießen das Konzept durch ein inklusives Angebot für zwölf Schülerinnen und Schüler von der Martin-Buber-Schule (Schule für geistige Entwicklung mit Abteilung für körperlich-motorische Entwicklung) und der Alexander-von-Humboldt-Schule (Mittelstufenschule) ausgebaut werden.

Gezielte Förderung

Begleitet wird die Gruppe von Lena Ronthaler, die für die Awo Hessen-Süd die Sozialarbeit an der Martin-Buber-Schule umsetzt. »Durch Andreas und die Räder wurde eine tolle Möglichkeit geschaffen. Das Angebot wird super angenommen und der Andrang ist groß,« freute sich Ronthaler.

»Der hohe Betreuungsschlüssel ist dank der Kooperation möglich und für die gezielte Förderung der Jugendlichen eine wichtige Voraussetzung. Der Frühling kann kommen, wir sind bereit,« freute sich der fachliche Leiter, Andreas Schmidt.

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