Nur gemeinsam viel zu erreichen

Der DGB-Kreisverband stellte den Programmablauf der Veranstaltung auf dem Kirchenplatz mit Kundgebung und Familienfest sowie dem Demonstrationszug durch die Innenstadt für den 1. Mai vor.
Gießen . In der Walpurgisnacht, der Nacht der Hexen, wurde mancherorts Jahr für Jahr viel Schabernack getrieben. Es ist die Nacht zum 1. Mai. Auch der »Tanz in den Mai« hat wegen der Gelegenheit zur Geselligkeit Eingang in unser Leben gefunden. Gesellschaftlichem Zusammensein wird an diesem Tag gefrönt, weil es die letzten Stunden des Aprils am Vorabend des arbeitsfreien Maifeiertags sind. Da kann man in der Regel ausschlafen. Dieses Jahr sowieso, da er auf einen Sonntag fällt.
Bezeichnet wird der 1. Mai als »Tag der Arbeit«, »Tag der Arbeiterbewegung« oder auch »Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse«. Er ist in Deutschland, Österreich, in Teilen der Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Belgien und in vielen anderen Staaten ein gesetzlicher Feiertag. Paradox eigentlich, dass am Tag der Arbeit, weil Feiertag, die Arbeit ruht - außer in sensiblen Bereichen wie Gesundheitspflege, Verkehr und Überwachung.
»1. Mai 2022 - GeMAInsam die Zukunft gestalten!« Das ist der Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum diesjährigen Tag der Arbeit. »Raus zum Tag der Arbeit!« - dazu ruft auch der DGB-Kreisverband auf. Die Presse wurde zur Vorstellung des Programmablaufes der Veranstaltung auf dem Kirchenplatz mit Kundgebung und Familienfest sowie dem Demonstrationszug durch die Innenstadt geladen. In diesem Jahr kann es dabei wieder in die Vollen gehen, nachdem vor zwei Jahren Corona-bedingt es lediglich eine Online-Begehung gab und es letztes Jahr abgespeckt ohne Familienfest abging. Bei Musik von der Band »Johnny Deville Blues Gang« sollen nächsten Sonntag, dem 1. Mai, Kaffee und Kuchen, Gegrilltes und Kaltgetränke angeboten werden. Auch an die Unterhaltung für Kinder ist gedacht. An zahlreichen Ständen wird von Einzelgewerkschaften über wichtige Themen informiert.
Solidarität braucht Nähe
Warum ein Maifest für den DGB so wichtig ist? Gewerkschaftssekretär Robin Mastronardi begründet es damit, dass Solidarität Nähe brauche. »Da kann man von Angesicht zu Angesicht beispielsweise betriebliche Konflikte bereden, sich austauschen.« Los geht es um 10.30 Uhr mit einer Auftaktrede, nach der sich ein Demonstrationszug in Bewegung setzt. Zwischenkundgebungen sind am Regierungspräsidium am Landgraf-Philipp-Platz sowie am Oswaldsgarten geplant. Zwischen 12 Uhr und 13 Uhr gibt es etliche Reden auf dem Kirchenplatz, wo danach bis zum späten Nachmittag gesellig gefeiert wird.
Eingebettet ist dieser Feiertag in die Betriebsratswahlen, die von März bis Juni durchgeführt werden. 33 Millionen Arbeitnehmer hätten bei der letzten Wahl ihre Stimme abgegeben, so Mastronardi. Doch nur jeder neunte Betrieb, der mit mehr als fünf Arbeitnehmer einen Betriebsrat haben kann, besäße einen solchen. »Dabei ist ein Betriebsrat immer stärker als der Einzelne.« Doch weniger als die Hälfte der Angestellten arbeiteten in Hessen in Unternehmen ohne Betriebsrat. Neben diesem Dilemma gelte es auch, eine Ausweitung der Kompetenzen bei der betrieblichen Mitbestimmung zu erhalten. »Nicht nur, ob die Toilette weiß oder rosa gestrichen wird«, wirft DGB-Kreisvorsitzender Klaus Zecher ein. »Vor 50 Jahren ist das Mitbestimmungsrecht ausgeweitet worden. Das Betriebsverfassungsgesetz muss nun endlich angepasst werden«, fordert Mastronardi. Noch immer hätten die Betriebsräte keinen digitalen Zugang im Betrieb. Zecher mahnt mehr demokratische Mitbestimmung auch über die Arbeitsbedingungen und den langfristigen Erhalt von Arbeitsplätzen an.
Problem der Verteilung
Der Ukraine-Krieg nimmt großen Raum im Pressegespräch ein. Finanziell gesehen die starke Aufrüstung der Bundeswehr sowie die massive Unterstützung des bekriegten Landes. Bei all diesen hoch dimensionierten Ausgaben dürfe die soziale Gerechtigkeit jedoch nicht unbeachtet bleiben. »Die größten Steuerzahler sind die Arbeitnehmer«, sagt Zecher. Eigentlich sei nicht das Geld als solches das Problem, »sondern dessen Verteilung«. Susanne Pitzer-Schild, Geschäftsführerin ver.di Mittelhessen, befindet sich mit den kommunalen Arbeitgebern derzeit in Tarifverhandlungen für die sozialen Berufe. Dabei von den gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten durch Warnstreiks Druck auf den Tarifpartner ausgeübt.
Desiree Becker, Jugendbildungsreferentin DGB Region Mittelhessen, bemängelt die Unterfinanzierung der Unis in Gießen und Marburg und die missliche Betreuung bei der internen betrieblichen Bildung. BAFöG-Leistungen hielten mit der Inflation nicht mit. Besonders die Mietpreise stiegen und stiegen schier uferlos. Auf eine von der DGB Jugend organisierte Veranstaltung »Tanz in den Mai« weist sie besonders hin. Erstmals in Zechers eigenem Bahnhof Lollar, der von dem Eisenbahngewerkschaftler in seiner knapp bemessenen Freizeit mühevoll, zugleich auch mit viel Liebe am Detail restauriert wurde. Zecher sperrt die Bahnhofstüren vor der offiziellen Eröffnung im Juni erstmals auf. Livemusik von »Spitting Slot Machine«, Grillen, Banner und Transparente für den nächsten Tag herstellen und einiges mehr wird bei freiem Eintritt offeriert.