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Orchester sprüht vor Energie

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Volle Konzentration im Lesesaal der Alten Universitätsbibliothek: Das Uniorchester probt »Aus der neuen Welt«. © Schultz

Das Ensemble der Justus-Liebig-Universität Gießen probt für sein Semestereröffnungskonzert. Die Botschaft: »Es gibt uns noch, wir sind wieder da.« Die Energie ist mit Händen zu greifen.

Gießen . Wunderbare Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Dazu gehört das verschobene Semestereröffnungskonzert des Uniorchesters am Samstag, 23. April, in der Kongresshalle. Der Anzeiger war bei der ersten Probe dabei. Fazit: Das junge Orchester und sein Dirigent sprühen vor Energie und wollen unbedingt wieder auf die Bühne.

»Es gibt uns noch, wir sind wieder da«, sagt Universitätsmusikdirektor Stefan Ottersbach leise zu den nach zwei Jahren Pause pünktlich erschienenen Mitgliedern des Orchesters im Lesesaal der Alten Universitätsbibliothek. »Das einzige, was uns noch am Auftritt hindern könnte, wäre, wenn ich es bekomme«, spielt er auf die Pandemie an, und dann geht es los: »Wir fangen an mit Takt 24. Wir sehen mal, wie weit wir kommen mit der Sinfonie, vielleicht kommen wir ja auch ganz durch.« Er hebt die Arme, ein letzter Blick in die Runde, und die Musik setzt ein. Zwei Reporter machen noch ein paar Fotos, aber die Musiker sind völlig auf ihren Dirigenten konzentriert. Man probt Dvoráks »Aus der neuen Welt«, und es klingt wunderbar.

Sie treffen sich nach vier Jahren zum ersten Mal wieder wie früher im Lesesaal der Alten Universitätsbibliothek, zuvor waren sie im ehemaligen Promarkt-Gebäude untergebracht; »mit seiner speziellen Atmosphäre«, merkt der Dirigent an. Geprobt wird für das verschobene Semestereröffnungskonzert.

Farbig und mitreißend

Das Programm: Außer Antonin Dvoráks Sinfonie »Aus der neuen Welt« wird das Publikum mit »Der Wassermann« eine der vier Tondichtungen hören, die Dvorák in seinem letzten Lebensjahr nach seiner Rückkehr aus Amerika komponiert hat. In diesen Werken überträgt er einige der Schauermärchen des tschechischen Volksdichters Karel Jaromír Erben in überaus farbige und mitreißende Musik. Nachdem der Geiger Stefan Tarara schon mit den Violinkonzerten von Johannes Brahms und Dmitri Schostakowitsch in Gießen gastiert hat, wird er gemeinsam mit dem Universitätsorchester das Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy aufführen.

Abgesehen von den vielen Ortswechseln, zu denen das Orchester Pandemie-bedingt genötigt war, kommen mit zwei Jahren Pause besondere Belastungen auf die Mitglieder so eines Ensembles zu. »Das macht etwas mit einem«, sagt der UMD ernst, »schließlich sind es auch soziale Kontakte, die dabei verblassen, einige Musiker haben ihr Studium beendet und die Uni verlassen«. Man habe manche Leute nach jahrelanger Mitgliedschaft im Orchester gar nicht verabschieden können, sagt Ottersbach betrübt. »Aber die, die sonst immer nachgekommen sind, blieben aus. Und über das Internet können Sie das nicht auffangen, ein so großes Ensemble - es sind insgesamt etwa 75 Mitglieder - kommt da nicht perfekt zusammen.«

Es habe alles nicht richtig geklappt, sagt der UMD, auch die Kollegen an anderen Unis hätten es versucht, und alle hätten es wieder aufgegeben: »Das funktioniert einfach nicht.« Und: »Ich freue mich über jeden, der in so einer Zeit die Motivation hält, aber mich hat das auch verändert. Man akzeptiert dann einfach, dass es mit dem Musikmachen nicht mehr geht.«

Den Anspruch, den man in den letzten Jahren aufgebaut hätte, »den darf man im Moment vielleicht nicht mehr haben, das ist einfach so«, sagt Ottersbach. »Das Programm war gut geprobt, aber die letzte Probe war Mitte Dezember.« Der UMD rechnet mit weiteren Coronafällen im Ensemble, hofft aber, »dass wir das alles ausgeglichen bekommen.«

Tagesaktuelle Tests vor jeder Probe

Vorteilhaft sei, dass bei den Bläsern in so einem Fall genügend Leute einspringen können. »Wenn aber bei den Streichern zu viele ausfallen, wird es echt wenig.« Ottersbach ist trotz allem Optimist: »Wir werden dieses Konzert hinkriegen, das Einzige, was es verhindern könnte wäre, wenn ich Corona kriege. Aber bislang wurde ich verschont.« Die Orchestermitglieder lassen sich vor jeder Probe tagesaktuell testen.

Streicherin Anne Baier erinnert sich gut an die Lockdownzeit. »Wir haben uns per Zoom getroffen, einfach nur, um uns zu unterhalten. Als die Zeit dann wieder etwas entspannter war, haben wir gelost und uns zu zweit zu Orchesterspaziergängen verabredet.« Allerdings ohne Musik zu machen.

Großartige Leidenschaft

Es ist eigentlich schon fast ein Konzert, als bei der Probe alle loslegen, machtvoll eröffnen die Streicher, die Musikerinnen sind voll konzentriert, eine gewaltige Lautstärke in den Spitzen, die Bläser strahlen über alles hinweg und sind am besten zu hören. Man spürt eine großartige Leidenschaft - sie sind wirklich wieder da.

Eintrittskarten zu 14 Euro (ermäßigt sieben Euro) sind bei der Tourist-Info in der Schulstr. 4 (zzgl. VVK-Gebühr) erhältlich, Restkarten eine Stunde vor Konzertbeginn an der Abendkasse.

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