Prävention per App

Heilbar ist Parkinson nicht, die Krankheit kann aber verlangsamt werden. Helfen soll dabei auch eine App, die derzeit an der THM in Gießen entwickelt wird.
Gießen . Wer »Parkinson« hört, der hat zumeist das Bild zitternder Hände im Kopf. Der Tremor ist aber nur eines von vielen Symptomen der chronischen neurodegenerativen Erkrankung, die vor allem über-65-Jährige betrifft. An der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) entsteht derzeit eine App, mit der Parkinson-Patienten mit Hilfe künstlicher Intelligenz bequem im häuslichen Umfeld überwachen können, ob sich ihre Symptome verschlechtern oder möglicherweise neue Einschränkungen hinzukommen. Mit den so gewonnenen Daten sollen die Behandlung schneller angepasst und der Krankheitsverlauf verlangsamt werden können. Derzeit gebe es noch eine »spürbare Daten-Lücke«, da die Patienten mitunter gar nicht oder lediglich in größeren zeitlichen Abständen den Facharzt aufsuchten, verdeutlichte Prof. Keywan Sohrabi vom zuständigen Fachbereich Gesundheit beim Pressetermin.
App soll Mimik erkennen
Die THM-Wissenschaftler arbeiten in dem Forschungsprojekt »ParkinsonHessen-Digital« mit der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) in Marburg zusammen. Bei Parkinson gebe es oft kein stabiles Krankheitsbild, sagte Dr. David Pedrosa, Leiter des Bereichs Parkinson und Neuromodulation am UKGM. Die digitale nicht-invasive Überwachung sei daher eine »große Chance«. Auch, weil manche Patienten teilweise gar nicht in der Lage seien, eine Verschlechterung ihrer Symptome zu erkennen. »Sie finden es unter Umständen normal, dass ihnen Bewegungen schwerer fallen.«
Wenn die App fertig ist, sollen mit ihr Tests zu motorischen und visuellen Fähigkeiten sowie zur automatischen Bewegungs-, Körper- und Gesichtserkennung möglich sein. Führt der Patient beispielsweise daheim vor dem Bildschirm leichte sportliche Übungen durch, werden diese von der App erfasst - die dann auch erkennt, wenn sich der Bewegungsablauf verschlechtert. Auch an der Erkennung von Gesichtsausdrücken arbeiten die Forscher. Denn Emotionen wie Freude oder Ärger spiegeln sich in den Gesichtern von Parkinson-Patienten weniger ausdrucksstark oder deutlich verzögert wieder. Mit dem Langzeit-Monitoring im häuslichen Umfeld ergebe sich ein umfassenderes Bild der Erkrankung, was wiederum die Möglichkeiten der Behandlung verbessere, so Keywan Sohrabi.
Parkinson sei nicht heilbar, mit einer frühzeitigen Behandlung könne aber eine Verschlechterung verhindert und das Leben für den Patienten lebenswerter werden, betonte Prof. Volker Groß vom THM-Fachbereich Gesundheit. Die Forschung habe so einen unmittelbaren Nutzen für die Patienten, sagte THM-Präsident Matthias Willems.
Doch da die beste App nichts nützt, wenn sie von Betroffenen nicht angenommen wird, werden bereits in die Entwicklung Parkinson-Patienten einbezogen - so wie Frank Deiß. Der Vorsitzende der Deutschen Parkinson Vereinigung, Landesverband Hessen, erhielt 2014 die Diagnose Morbus Parkinson. Gerade in ländlichen Gegenden sei es schwierig, in eine geeignete Praxis oder Klinik zu kommen, hat er festgestellt. Die telemedizinische Beratung und Überwachung per App sei daher auch eine »Erleichterung für die Patienten, die nicht mehr so mobil sind«.
Das Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung fördert das Projekt »ParkinsonHessen-Digital« mit rund 550 000 Euro aus dem Programm »Distr@l«. Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) machte sich am Montag vor Ort ein Bild vom Stand der Entwicklung. Digitalisierung in Kombination mit Künstlicher Intelligenz könne ein längeres, gesünderes und sicheres Leben zu Hause ermöglichen. »Die Digitalisierung soll den Menschen nutzen, nicht umgekehrt«, sagte die Ministerin. Ihr Besuch an der THM ist Teil der Aktionswoche »Alter besser machen« der Hessischen Landesregierung, in der die altersfreundliche Gesellschaft in den Blickpunkt genommen wird.
Läuft alles nach Plan, wird die in Gießen entwickelte App im kommenden Jahr einsatzbereit sein. Die digitale Gesundheitsanwendung soll als Medizinprodukt zertifiziert werden, sodass eine Verschreibung auf Rezept durch einen Arzt möglich ist. Begleitet wird das Projekt auch durch das Kompetenzzentrum für Telemedizin und E-Health Hessen.
