1. Startseite
  2. Stadt Gießen

Präzise, gefühlvoll und transparent

Erstellt:

giloka_0504_jcs_Andrade__4c
Antonio Andrade trägt sein Soloprogramm »History of Flamenco« in der Bezalel-Synagoge vor. Foto: Schultz © Schultz

Das Kulturzentrum Bezalel war sehr gut besucht am Dienstag, als Flamenco-Virtuose Antonio Andrade sein Soloprogramm »The History of Flamenco« vorstellte.

Lich . Das Kulturzentrum Bezalel war sehr gut besucht am Dienstag, als Flamenco-Virtuose Antonio Andrade sein Soloprogramm »The History of Flamenco« vorstellte. Der Andalusier verband darin solide Informationen zur Geschichte dieser beliebten interessanten Musik mit reichlich fesselnden Beispielen. Andrade war bestens disponiert und musizierte auf allerhöchstem inhaltlichen wie handwerklichen Niveau.

Antonio Andrade, dessen Familie in Sevilla ein Flamencotheater betreibt, stammt aus der Nähe von Sevilla und wuchs in Ludwigsburg auf (»Ich bin ein Spätzle-Torero«) und spricht fließend Spanisch, Deutsch und Schwäbisch.

Viel Feingefühl

Zur Einstimmung sah man auf der Bühne eine stimmungsvolle Abbildung der Alhambra in Granada. Andrade eröffnete mit einem schön ruhig beginnenden Stück (»Granaida«), hochkonzentriert musiziert, das mit feinstem Timing und gefühlvollen Verzögerungen erfreute. Von Beginn an ganz versunken, kehrte er anschließend gleichsam aus der Musik zurück. »Ich war ja untergetaucht. Ich hatte das Gefühl, dass wir eins waren.« Das Publikum, es war sofort in tiefes Schweigen verfallen, applaudierte heftig; nicht zum letzten Mal.

Aufmerksam lauschten sie Andrades Geschichtsstunde über die Entwicklung des Flamenco, komplett mit Kartenmaterial, Videos und Fotos.

Wichtig beim Flamenco sei die Freiheit: Es gebe keinen Rhythmus, die Form sei komplett variabel, sagte Andrade. Die Musik, die aus Andalusien stamme, habe im Laufe der Geschichte verschiedene Formen in sich aufgenommen, und zwar, weil die Andalusier die Musik aufgenommen und mit eigenen Beiträgern verändert haben. »Zudem haben sie einen großen Humor, Cadiz ist die lustigste Stadt der Welt«, fügte Andrade hinzu.

Kulturell sei der Ursprung dieser Musik durch die vielen Völker zu erklären, die durch Andalusien gezogen seien. »Während der langen Anwesenheit der Araber lebten dort übrigens Juden, Christen und Muslime friedlich miteinander.« Die Roma hätten aus Indien kommend auch Andalusien erreicht und dann den Flamenco nach ganz Europa gebracht, auch wieder nachdem sie spezifische Elemente dazugefügt hatten. Das Wesentliche im Flamenco seien die gegenseitigen Einflüsse gewesen, sagte Andrade, auch aus Süd- und Lateinamerika wären Elemente eingeflossen. Allerdings seien ursprünglich wenige Harmonien vorhanden gewesen, die seien dann vom Jazz gekommen.

Ein sehr interessanter Vortrag, der mit prägnanten Einwürfen (»Der Flamenco ist der Blues Europas«) einen wesentlichen Teil der europäischen Musikkultur beleuchtete.

Stilrichtungen illustriert

Aber Andrade hatte nicht nur Fotos und Videos im Gepäck. Er illustrierte die verschiedenen Stilrichtungen mit entsprechenden Beispielen. Bei der »Sevillada« genoss man wunderschöne Harmonien, grundsätzlich sanft akzentuiert und mit kraftvollem Flamenco-Elan musiziert - erzählerisch, teils fast nachdenklich ausgeführt. Andrade musizierte an diesem Abend herausragend präzise und transparent und vermittelte dem Publikum deutlich wahrnehmbar die verschiedenen Stimmungen des Flamenco; faszinierend.

Ein Glanzlicht war die »Faruca« aus Galizien, entstanden aus dem Element der Gesänge der fremden Seeleute, die die Hafenkneipen besuchten. Andrade beschränkte sich im Konzert nicht auf die eingängigen Phrasen des Flamenco, sondern fügte in »Buleria« auch Elemente des Jazz und der Weltmusik ein. Ein sehr abwechslungsreicher Titel, gleichsam eine lebendige Abbildung. Einen glänzenden Schlusspunkt setzte er mit dem seiner Mutter gewidmeten Lied »Manuela«, das diverse stilistische Details zu einem sehr stimmungsvollen Erlebnis verband. Überlanger Applaus war die Belohnung für einen sehr lebendigen Abend. Als Zugabe noch eine freie »Fiesta« mit Flamencotanz auf und neben der Bühne, dann waren alle zufrieden.

Auch interessant