Räuberische Erpressung mit Messer
Er möchte auf Dauer ein normales Leben führen, betonte der 23-jährige Somalier, der sich vor dem Landgericht in Gießen wegen räuberischer Erpressung und Körperverletzung verantworten muss.
Gießen. Der 23-jährige Somalier hat ein gepflegtes Erscheinungsbild. Klar, mit ruhiger Stimme und nahezu akzentfrei erzählt er seine Geschichte und kann dem Verhandlungsverlauf gut folgen.
Folgende Taten werden ihm vorgeworfen: Er soll am 17. Januar diesen Jahres einen somalischen Bekannten beobachtet haben, wie er zu einem Geldautomaten im Neustädter Tor ging, um Geld abzuheben. Der Bekannte sah den Angeklagten, hatte ein komisches Gefühl und wollte lieber doch kein Geld aus dem Automaten holen. Der Angeklagte kam zu ihm, bedrohte ihn und wollte ihn zwingen, doch Geld abzuheben. Als dieser sich weigerte zog der Angeklagte ein Messer und bedrohte sein Opfer. Im Laufe der Auseinandersetzung verletzte der Angeklagte den Mann sehr heftig an der rechten Hand, sodass er eine tiefe Schnittwunde davontrug. Dann trennten sich die beiden. Einige Wochen später, am 21. Februar, tauchte der Angeklagte bei dem Vater des Verletzten auf. Er trommelte solange gegen die Wohnungstür, bis dieser ihm öffnete. Auch da hatte der Angeklagte ein Messer und zudem noch eine Glasflasche dabei. Er fuchtelte wild mit dem Messer in der Luft, beschimpfte und bedrohte den Mann auf das Übelste, nur mit dem Ziel ihn einzuschüchtern, um Geld von ihm zu erpressen. Schließlich kam ein Dritter hinzu, der dem Angeklagten zehn Euro gab und dieser dann von dem zweiten Opfer abließ.
Da bei den Taten ein Messer mit im Spiel war, lautete die Anklage auf schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Allerdings räumte die Staatsanwältin Nathalie Dohmen bei der Verlesung der Anklageschrift ein, dass die Taten wohl unter starkem Alkoholeinfluss verübt worden seien, sodass sie die Möglichkeit der verminderten Schuldfähigkeit in Aussicht stellte.
Flucht mit 14
Der 23-Jährige äußerte sich am ersten Verhandlungstag zwar nicht zum Tathergang, er gab jedoch bereitwillig Auskunft über seine Lebensverhältnisse. Er wurde am 6. Mai 1999 in Mogadischu, Somalia, geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen bei seiner Großmutter auf, die ihm jedoch auch eine Schulbildung ermöglichte. 2013 - mit 14 Jahren - entschloss er sich zu einer waghalsigen Flucht über das Mittelmeer und kam Ende September in Deutschland an. Er besuchte fleißig Deutschkurse und schloss die Schule mit dem Realabschluss ab, mit dem Ziel Erzieher zu werden. Da dies aufgrund seines Notendurchschnitts nicht sofort möglich war, begann er mit einem freiwilligen sozialen Jahr, das er jedoch aufgrund einer psychischen Erkrankung unterbrechen musste. Die Diagnose: Schizophrenie, eine Krankheit, die seitdem sein Leben beeinflusst. Aufgrund dessen und seines Drogenkonsums konnte er diese Ausbildung nicht abschließen, startete eine weitere zum Altenpfleger, die er ebenfalls abbrach. Seit 2019 lebt er im Raum Gießen und war immer wieder in psychologischer Behandlung. Seitdem er in Deutschland ist, konsumiert er immer wieder heftig Alkohol, Cannabis oder auch Kath (eine pflanzliche Droge aus dem Kathstrauch), je nachdem wieviel Geld er zur Verfügung hatte. Er wisse, dass ihm Alkohol und Haschisch nicht gut tun würde. Alkohol habe er immer dann getrunken, wenn es ihm nicht gut gehe, dann habe er nachmittags angefangen und erst aufgehört, wenn er eingeschlafen sei. Wieviel er rund um die Taten an Alkohol getrunken habe, das wisse er nicht mehr so genau. »Es war viel. Es waren bestimmt so sechs bis sieben Flaschen Bier, dazu noch Weinbrand und Wodka«, gab er gestern zu. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Jens Holtzmann, wie er sich seine Zukunft vorstelle, antwortete er, dass er sein Leben in Griff bekommen wolle. Er habe aus dem Aufenthalt im Gefängnis gelernt. Er möchte auf Dauer ein normales Leben führen. Das psychiatrische Gutachten wird am nächsten Verhandlungstag, 4. August, vortragen.