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Raubüberfälle mit Waffe

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Zur Finanzierung ihrer Drogensucht haben zwei junge Männer Wettbüros in Gießen überfallen. Das Landgericht verhängte jetzt lange Haftstrafen.

Gießen (gt). Drogensucht ist oft ein Grund, sich gewaltsam Geld zu beschaffen. So war es auch bei einem 29-jährigen Fernwalder und seinem 19 Jahre alten Mittäter, die im vergangenen Frühjahr binnen vier Tagen zwei Gießener Wettbüros überfielen. Sie wurden deshalb am Gießener Landgericht zu langen Haftstrafen wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt.

Am Abend des 24. Mai gegen 22.25 Uhr betraten die beiden Männer maskiert und mit ungeladenen Schreckschusspistolen das Wettbüro am Lindenplatz. Der eine hielt drei Gäste in Schach, der andere hielt der Servicekraft die Waffe vor das Gesicht und forderte sie auf, das Geld aus der Kasse in einen Beutel zu packen. Mit ihrer Beute flüchteten die Räuber dann.

Vier Tage später verübte das Duo gegen 23 Uhr einen weiteren Raubüberfall, diesmal auf ein Wettbüro am Schiffenberger Weg. Der Jüngere sondierte zunächst nur die Lage und verließ das Lokal, in das der Haupttäter dann sogleich stürmte. Einen Gast, der ihm in der Tür entgegen kam, forderte er zwar unter Vorhalt seiner Pistole zur Rückkehr (»rein-rein!«) auf. Doch der Gießener Verkäufer (38) ließ sich nicht beirren, rannte davon und verständigte per Notruf die Polizei. Der bewaffnete Räuber verlangte unterdessen von dem Angestellten im Wettbüro, das Bargeld in die mitgebrachte Tasche zu packen.

Beute geteilt

In beiden Fällen teilten sich die Räuber die Beute, die sie allerdings dann rasch wieder ausgaben: zum Kauf von Kokain und Cannabis, für Bordellbesuche, für einen Hotelaufenthalt und zur Schuldentilgung.

Dank der Aufzeichnung durch mehrere Kameras in den Wettbüros sowie in einem Hotel, das einen Einmietbetrug angezeigt hatte, wurden die Täter relativ flott ermittelt und überführt. Anfang Juni kamen sie in Untersuchungshaft. Vor Gericht zeigten sich die Räuber geständig. Sie entschuldigten sich auch ausdrücklich bei den Zeugen, die sie damals bedroht hatten. Nur die Höhe ihrer jeweiligen Beute stuften sie mit knapp 1000 Euro deutlich geringer ein als die bestohlenen Wettbüros. Die hatten ihre Einbußen laut Anklage auf 2300 und 3700 Euro beziffert.

Der 29-Jährige betonte zudem, er habe seinen Freund jeweils zum Mitmachen überredet. So schwer war das allerdings nicht gewesen, hat doch der 19-jährige Wiesecker ein langes Vorstrafenregister. Schon mit 14 Jahren hatte er sich über 20 Strafanzeigen eingehandelt. Danach wechselten stationäre Jugendpsychiatrie-Aufenthalte und Verbüßungen von Jugendstrafen sich ab. Betrug und gefährliche Körperverletzung dominieren das Sündenregister. Cannabis konsumierte er schon länger, Kokain kam kurz vor den beiden Überfällen dazu.

Der 32-Jährige hatte sich 2018 mit einer Trockenbaufirma selbstständig gemacht, die anfangs gut lief. Doch dann wuchs ihm die Arbeit über den Kopf, was er mit Alkohol, Aufputschmitteln, Cannabis und zuletzt Kokain zu bekämpfen versuchte. Im Frühjahr 2022 lag der Geldbedarf dafür bei über 150 Euro pro Tag.

Dazu kamen die stetig wachsenden Schulden aus seiner Spielsucht. Aktuell warten Gläubiger noch auf rund 50 000 Euro. Seine Ehefrau hat ihn mitsamt der Tochter längst verlassen. Dem psychiatrischen Sachverständigengutachten zufolge kann der gebürtige Türke nur durch eine lange Therapie seine Drogen- und Spielsucht überwinden.

Für den Heranwachsenden, der in schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsen und zur Tatzeit ohne festen Wohnsitz war, riet die Jugendgerichtshilfe ebenfalls dringend zu einer Therapie sowie zum Nachholen des Hauptschulabschlusses. Nur dann könne er die kriminelle Szene verlassen. Allerdings hatte es der 19-Jährige schon in der Bewährungszeit nach seiner ersten langen Haftstrafe nicht geschafft, seinen Vorsatz zu einem ordentlichen Lebenswandel umzusetzen.

Entziehungsanstalt

Der Haupttäter wurde von der 1. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Andreas Wellenkötter zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und der Einweisung in eine Entziehungsanstalt verurteilt. Staatsanwältin Jessica Schröder hatte ein halbes Jahr mehr verlangt, weil nach ihrer Überzeugung im zweiten Fall die Pistole geladen war.

Bei den vier Jahren Jugendhaft, in die ein Urteil aus dem vergangenen Juli über zwei Jahre und vier Monate wegen Körperverletzung einfloss, stimmten beide überein Die Verteidiger Philipp Kleiner und Alexander Hauer hatten jeweils etwas geringere Strafen beantragt.

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