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Reise durch Momentaufnahmen des Lebens

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Eine Theologin am Piano: mit ihrem Mann Timon war Jelena Herder zu Gast unter den Marktlauben bei der Reihe »Einer liest«. Foto: Hahn-Grimm © Hahn-Grimm

Gießen . »Das Leben ist eine Polaroidkamera, manchmal zu dunkel, manchmal sehr hell« - Lieder und Texte zum Entspannen und Nachdenken boten am Sonntag Jelena und Timon Herder bei der beliebten Reihe »Einer liest« unter den Marktarkaden. Annähernd 30 Grad im Schatten hatten die kulturhungrigen Gießenerinnen und Gießener nicht abhalten können, zahlreich auf Holzbänken oder mitgebrachten Klappstühlen Platz zu nehmen.

Veranstalter Uwe Lischper stellte das Künstler-Duo Timon und Jelena Herder aus Marburg vor, das mit Liedern und Texten, Piano und Percussion unterwegs ist. Neben der Musik haben die beiden noch Berufe zum Lebensunterhalt: Jelena Herder ist Theologin, ihr Mann Timon ist systemischer Berater von Pflegefamilien in Hessen.

Das Künstlerpaar wohnt in Sterzhausen bei Marburg und hat einen kleinen Sohn, der während des Auftritts der Eltern erstmals allein bei einer Tante zu Hause blieb. »Da sind wir schon gespannt, wie das klappt«, betonte Jelena, bevor sie ihren ersten Text vortrug. »Wir sind Schätzesammler. Wir sammeln Sätze und Melodien….«

Und apropos Polaroidkamera: Mit einem feinfühligen Programm aus gesungener und gesprochener Wortkunst nahmen die beiden Künstler ihre Zuhörer mit auf Reise durch Momentaufnahmen aus dem Leben, wie von einer Polaroidkamera aufgenommen, nicht heller oder dunkler zu stellen, auszuschneiden oder sonst wie digital zu bearbeiten. Jedes Bild eine unverwechselbares Original.

Das Lied hatte auch eine Ermunterung für die Zuhörerinnen parat: »Du hast einen Schatz an Schnappschüssen in dir«, jedes Leben eine Vielzahl an individuellen Eindrücken und Erlebnissen. Träumerische Momente stehen neben Augenblicken des Scheiterns. «Ich stehe in einem Scherbenhaufen«, heißt einer der Texte, die Lieder sind in einfache und stimmige Akkorde gepackt, von Jelena Herder auf dem Piano vorgetragen, begleitet von Timon Herder am Schlagzeug.

»Mit einem großen trotzigen Trotzdem lieben wir das Leben«, heißt es an einer Stelle und ein anderer Text lautet: »Mein Unglaube ist mir ein vertrauter Gefährte geworden auf der Reise zu einem heiligen Ort«. Da sitzt eine Theologin am Piano, unverkennbar. Doch mit ihren klugen und einfühlsamen Texten ist Jelena Herder bei großen Kirchentagen auch erfolgreich bei der jungen Generation.

Und wie ist das Fazit ihrer Reise mit dem vertrauten Gefährten Unglauben? »Ich frage mich, ob ich das Heilige der Orte, zu denen ich pilgere, ohne ihn vielleicht nie erlebt hätte.« Nach ernsten und nachdenklichen Worten waren bald wieder heitere Verse zu hören, gekleidet in den sanften Sound des Marburger Duos. »Warum hier Goldstaub fliegt? Weil wir das Leben feiern. Auf eine bunte und auch stille, bedachte und herzliche Weise.«

Das Publikum spendete dem Duo herzlichen Beifall.

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