Resiliente City ist das Ziel

Neue Frequenzbringer sollen die Gießener City resilient machen. Multifunktionalität ist das Ziel.
Gießen. Multifunktional und resilient. Wenn es um die Zukunft von Innenstädten geht, dann stehen diese beiden Eigenschaften als Ziele zumeist ganz oben auf der Liste. Auch am Montag: »In Gießen ist die multifunktionale Innenstadt bereits auf dem Weg. Nach den Erfahrungen mit Corona gilt es, Zentren resilient zu machen«, sagte Monika Kollmar von der »Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA)« im Rathaus. Sie stellte dort das neue Einzelhandels- und Zentrenkonzept sowie das neue Innenstadtkonzept vor. Beides sind Fortschreibungen eines Konzeptes, das die GMA bereits 2011 erstellt hatte. »Vor dem Hintergrund großer Veränderungen wollen wir das Konzept fortschreiben«, erklärte Stadträtin Gerda Weigel-Greilich von den Grünen bei der Veranstaltung im Sitzungssaal der Stadtverordneten.
Umsatz von 825 Millionen Euro
Ausgangspunkt des Einzelhandelskonzeptes seien Bedarfsanalysen in der gesamten Stadt gewesen. Das Papier diene später vor allem der Bauleitplanung. Denn auf seiner Grundlage lasse sich entscheiden, an welcher Stelle die Stadt welchen Handel zulässt. »In Gießen gibt es fast 530 Einzelhandelsbetriebe, die auf 260 000 Quadratmetern einen Umsatz von 825 Millionen Euro machen«, erläuterte Kollmar. Die Stadt sei traditionell ein starker Einzelhandelsstandort. Obwohl: »In den vergangenen zehn, elf Jahren ist die Einwohnerzahl in Gießen um mehr als 20 Prozent gewachsen. Gleichzeitig gibt es über 100 Einzelhandelsbetriebe weniger. Im deutschlandweiten Vergleich ist das aber nicht ungewöhnlich«, führte Kollmar aus. Ursachen seien unter anderem der Onlinehandel oder fehlende Nachfolger in inhabergeführten Betrieben.
Mit Blick auf die Gießener Verhältnisse falle allerdings auf, dass nur rund ein Prozent der Verkaufsfläche verloren gegangen sei. Denn seit 2011 habe sich großflächiger Handel wie Baumärkte an der Peripherie angesiedelt - die Innenstadt verliere an Handelsbedeutung. Dort prägten zunehmend andere Nutzungen wie Gastronomie oder Dienstleistungen das Bild.
Die City selbst bezeichnete Kollmar dennoch als das Hauptzentrum, das nach wie vor das Umland stark anziehe. Viele Stadtkerne verlören durch den Onlinehandel Kunden. Auch Gießen, wo jeder Vierte angebe, dass er »Schuhe und Sportausstattung im Internet kauft«. Seit 2011 seien fast 20 000 Quadratmeter Verkaufsfläche in der Innenstadt verloren gegangen. Rund 52 Prozent der Erdgeschossflächen seien noch vom Handel belegt, während Gastronomie 20 Prozent und Dienstleistungen 22 Prozent einnähmen. Die Multifunktionalität entstehe also bereits. Wie sich die Resilienz - also Anpassungsfähigkeit - steigern lasse, habe sich im Zusammenhang von Pandemie und Homeoffice gezeigt.
Neue Frequenzbringer
Denn die Frequenz in Großstädten sei teilweise zusammengebrochen, nicht aber in kleineren Innenstädten mit Nahversorgern, die nach wie vor Kunden angezogen haben. Daran lasse sich erkennen, wie wichtig es ist, sich vom klassischen Einzelhandel als Frequenzbringer unabhängiger zu machen, leitet das Kölner Büro daraus ab. Als mögliche Maßnahmen in diesem Sinn nennt das Gutachten beispielsweise die Förderung von Kultur- und Kreativwirtschaft, attraktive Wohnformen oder das Zurücklenken von Arbeitsplätzen in die Innenstadt. Auch die Gestaltung als Aufenthaltsraum spiele für die Frequenz eine zentrale Rolle. »Gießen hat davon heute schon einiges. Viele Dinge hat man hier in den vergangenen Jahren richtig gemacht«, analysierte Kollmar.
Befragungen im Internet und unter Passanten hätten ergeben, dass etwas mehr als die Hälfte der Kunden der Innenstadt aus dem Umland kämen. Die Stadt bleibe der zentrale Handelsplatz in Mittelhessen. Bei der Antwort auf die Frage, wie die Kunden aus der Umgebung in das Oberzentrum kommen, hätten 81 Prozent Auto oder Motorrad als Verkehrsmittel genannt. »Diese Besucher kann man sicher in Teilen an den ÖPNV gewöhnen«, meinte die Fachfrau. Einwohner seien dagegen weit häufiger mit Fahrrad oder zu Fuß unterwegs. Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen stehe der Wunsch nach mehr Vielfalt und Attraktivität des Einzelhandels ganz oben, gefolgt vom Wunsch nach einer vielfältigeren Gastronomie inklusive Außengastronomie. Auf Platz drei folgt »weniger Billigläden/Ketten«. Bei den Gründen für und gegen einen Einkauf in der City stehen Angebot und Auswahl sowie die Einkaufsatmosphäre jeweils ganz vorn, wobei die positiven Nennungen deutlich überwiegen. Das gilt auch für die Frage nach Bedienung, Beratung und Service. Eindeutig negativ wird dagegen das Parkplatzangebot gewertet, ebenso wie Öffnungszeiten und Preis-Leistungs-Verhältnis.