Ria Deeg soll ins Museum

Beim Dauer-Streitthema »Gießener Kopf« sucht die Koalition einen Kompromiss: Mit einer Ausstellung soll an die Kommunistin erinnert werden.
Gießen . Wohin gehört Ria Deeg im historischen Gedächtnis der Stadt? Hat es die Kommunistin und Widerstandskämpferin verdient, mit einem »Gießener Kopf« geehrt zu werden? Oder sollte man sich im Rahmen einer Ausstellung im Oberhessischen Museum kritisch mit ihrer Biografie auseinandersetzen? Letzteres ist der jüngste Vorschlag in der langen »Causa Deeg«, den die Regierungskoalition aus Grünen, SPD und Gießener Linke nun in einem Änderungsantrag formuliert hat. Zuvor hatten die beiden Stadtverordneten der PARTEI, Andrea Junge und Darwin Walter, das Dauerthema wieder auf die Tagesordnung gesetzt und eine Ehrung Deegs im Rahmen der »Gießener Köpfe« gefordert.
Die Unterstützung für den PARTEI-Antrag müsse leicht fallen, befand Junge im Kulturausschuss am Donnerstagabend und sagte mit Blick auf das im Dezember vorgestellte Gutachten, man habe selten eine »so reflektierte Begründung vorliegen«. Dass Ria Deegs »Herz links geschlagen hat, sollte nicht verhindern, ihre Lebensleistung anzuerkennen«.
Im Dezember hatte das Thema noch für reichlich Streit innerhalb der grün-roten Koalition gesorgt, weil die Grünen sich gegen eine Steele für Deeg aussprachen. Nun waren sowohl Moritz Jäger (Grüne) als auch Gerhard Merz (SPD) bemüht, die Diskussion nicht wieder aufflammen zu lassen. Der Änderungsantrag sei »das Einzige, was derzeit mehrheitsfähig ist« und »kein Versuch, die Würdigung Deegs auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben«, betonte Merz. Eine Ausstellung im Oberhessischen Museum müsse zudem kein Ersatz für eine Büste sein: »Man kann das Eine tun, ohne das Andere zu lassen.«
Die frühere Stadtverordnete Deeg »soll und muss gewürdigt werden«, befand Jäger und verwies auf die Flugblätter, die die gebürtige Dutenhofenerin als Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus verteilt hatte und die ihr eine Anklage wegen »Hochverrats« einbrachten. So weit ist man sich in der Koalition einig.
Deegs Mitgliedschaft in der DKP und ihr »besonders unkritisches Verhältnis zu DDR und Sowjetunion« sei angesichts ihrer Biografie »nachvollziehbar, aber taugt nicht zur Heldenverehrung«, kritisierte Jäger. Es sei angemessener, ihr Leben im Museum in den historischen Kontext einzuordnen und sie nicht unkommentiert auf einem Sockel zu präsentieren.
Der Änderungsantrag sei die sprichwörtliche »eierlegende Wollmilchsau« und diene lediglich dazu, den Burgfrieden innerhalb der Koalition wiederherzustellen, spottete Christine Wagener (CDU). FDP-Fraktionsvorsitzender Dominik Erb schlug vor, die PARTEI möge noch ein »kommunistische« vor ihren Namen setzen und mutmaßte, man habe bald eine weitere Fraktion in den Gremien - nämlich dann, wenn sich Martina Lennartz nach ihrem Abgang bei der Gießener Linke der PARTEI anschließen würde. Die Debatte um Ria Deeg müsse man nicht neu führen, hier sei bereits »alles gesagt«.
Merz plädierte zudem dafür, auch bereits vorgenommene Ehrungen kritisch zu betrachten und nannte als Beispiel die Karl-Sack-Straße in der Weststadt. Sack, der im April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg gehängt wurde, sei zwar im Widerstand gegen die Nazis aktiv, als Richter am Reichskriegsgericht aber auch für Todesurteile verantwortlich gewesen. Das historische und kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft verändere sich mit der Zeit, sagte Merz - das sehe man beispielsweise an Bismarckstraßen und -türmen und die Diskussionen darüber.
Der Änderungsantrag wurde mit den Stimmen der Regierungskoalition mehrheitlich zur Annahme empfohlen. Die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung steht noch aus.