Sanierung oder Mieter-Vergrämung

Alleinerziehende Mutter will sich nach renovierungsbedingtem Auszug zurück in ihre alte Wohnung klagen, doch der Eigentümer sieht dafür keine Basis mehr.
Gießen . »Ich weiß nicht, wie die Mietsituation momentan in Gießen ist, räumte Richter Christoph Keller zu Beginn des Zivilverfahrens freimütig ein, das eine alleinerziehende Mutter gegen ihren Vermieter angestrengt hat. Als das Verfahren am gestrigen Freitag vier Stunden später und nach der Befragung von sechs Zeugen vertagt wurde, dürfte er von dieser Situation aber einen guten Eindruck gewonnen haben.
Die Klägerin hatte im Januar 2021 ihre Wohnung am Nahrungsberg verlassen müssen, weil das denkmalgeschützte Gebäude grundsaniert und unter anderem eine moderne Heizung eingebaut werden sollte. Drei bis sechs Monaten sollten sie und ihre elfjährige Tochter in einer »Umsetzwohnung« bleiben, bis die Sanierung abgeschlossen sei. Seitdem sind 15 Monate vergangen, und ob die 51 Jahre alte Frau überhaupt noch einmal in ihre alte Bleibe zurückkehren kann, steht in den Sternen.
Gäste-Toilette mit Dusche
Entgegen der Absprache seien nicht nur Heizung und Fenster ausgewechselt worden, sondern auch Verbindungstüren mit Rigipsplatten verschlossen und ein zweites Bad eingebaut worden, sagte die Klägerin. Sie vermutet, dass die Immobilien-GmbH des Eigentümers, die das Haus 2020 kaufte, die Wohnung teilen und aus dem ganzen Haus ein Studenten-Wohnheim machen will.
Der als Zeuge befragte Architekt dieses Umbaus sagte dagegen, ihm sei von solchen Plänen nichts bekannt. Der Einbau einer zusätzlichen Gästetoilette sei heutzutage in einer größeren Mietwohnung Standard.
Auf Nachfragen des Rechtsanwalts der Klägerin räumte er allerdings ein, dass zu dieser zweiten Toilette auch noch eine zweite Dusche gehöre.
»Der sichtlich empörte und von seinem Anwalt immer wieder gebremste Eigentümer erklärte, er sei ein Ehrenmann und betonte: »Ich habe das Haus mit dem Ziel gekauft, dass wir das so vermieten, wie wir das wünschen.«
Bei diesen Wünschen spielt die Mieterin und frühere Miteigentümerin des Hauses offenbar keine Rolle mehr. Als Vergleich und »kaufmännische Lösung« bot der Anwalt des Eigentümers gleich zu Beginn des Verfahrens die Kostenübernahme für den Auszug und eine finanzielle Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Wohnung an. »Dann machen wir den Sack zu und gut ist. Wir können uns hier aber auch wundprozessieren«
Die Klägerin beharrte indes auf eine Rückkehr in die alte Wohnung und die Wiederherstellung deren ursprünglichen Zustands. Zum einen sei noch der Garten des Hauses am Nahrungsberg ihr Eigentum, zum anderen würde ihre Tochter gleich in der Nähe die Schule besuchen. Im übrigen sei es derzeit nahezu aussichtslos eine vergleichbare und bezahlbare Wohnung im Gießener Innenstadtbereich zu finden.
Dem hielt der Anwalt des Beklagten entgegen, dass spätestens mit der Klage das Mietverhältnis belastet und das Vertrauensverhältnis gestört sei. Auch stellte er infrage, dass der Mietvertrag, wie von der Klägerin behauptet, unbefristet sei. Nach Auffassung seines Mandanten ende dies ohnehin am 31. Juli 2023.
Diesen Vorwurf konterte die Klägerin mit einem Schreiben, indem der Eigentümer iht mitgeteilt habe, dass die Höhe der Miete bis zum 31. Juli 2023 fix sei, danach aber steigen könne. Von einer Befristung sdes Mietverhältnisses könne also keine Rede sein
»Das ist nicht von mir«, betonte der Eigentümer, »das hat die Hausverwaltung geschrieben.« Für die Hausverwaltung sei allerdings die Frau des Eigentümers zuständig, entgegnete die Mieterin, die gleich vier Zeugen aufbot, die aussagten, dass die Mieterin niemals einem Komplettumbau ihrer Wohnung zugestimmt habe.
Diese Zeugen erklärten unisono, dass der Umbau der Wohnung weit über das für eine Sanierung notwendige Maß hinausgegangen sei. So sei unter anderem der von der Mieterin auf dem Balkon angebrachte Holzplankenbelag grundlos herausgerissen worden.
Zeugin erkrankt
Mehr Licht ins Dunkel hätte die Immobilienmaklerin bringen können, die im Auftrag des Eigentümers die Kommunikation mit der Klägerin geführt hatte. Diese Maklerin habe ihr bei einem dieser Gespräche auch geraten, sich eine neue Wohnung zu suchen, weil »das doch eh nichts mehr würde am Nahrungsberg mit all den vielen Studenten«, so die Mieterin.
Doch die Aussage der Maklerin fiel aufgrund einer Corona-Erkrankung aus, so dass ein zweiter Verhandlungstag anberaumt werden muss. Bis dahin beantragte der Rechtsanwalt des Eigentümers angesichts eines möglichen Rückbaus der Wohnung eine Heraufsetzung des Streitwerts von derzeit 5000 Euro auf 50 000 Euro.