Schalk, Gefühl und Expertise

Gießen . Götz Alsmann war wieder in der Stadt. Am Montag spielte der erfolgreiche Entertainer in der sehr gut besuchten Kongresshalle. »L.I.E.B.E.« heißt das aktuelle Programm, das er mit seiner bewährten Band ablieferte. Es war ein Abend auf künstlerisch höchstem Niveau.
Nach seinem famosen Auftritt 2018 mit dem Programm « in Rom« geht es auch diesmal gleich sehr gut los. Der Aufmacher »Musik liegt in der Luft« war die Titelmelodie einer beliebten ZDF-Show mit Dieter Thomas Heck und Horst Jankowski und dessen RIAS Tanzorchester. Ein Evergreen, der von 1991 bis 1998 samstags die deutschen Straßen besser befahrbar machte. Alsmann spielt ihn als Bossa Nova mit einem sanften Groove. Eine Form, die klar macht, was an diesem Abend versprochen wird: deutsche Liebeslieder und Schlager in neuer Anmutung.
Dabei sind Alsmann die Musiker Altfrid M. Sicking (Vibraphon, Xylophon, Trompete), Ingo Senst (Kontrabass), Rudi Marhold (Schlagzeug) und Markus Paßlick (Congas, Bongos, Percussion) aufs Feinste behilflich. Die Band musiziert mit großer Sicherheit, die sie auf alle Nuancen in Alsmanns Vortrag leichtfüßig reagieren lässt. Noch dazu sitzt ihnen allen der Schalk genauso im Nacken wie ihrem Bandleader. Der transparente Hallensound sorgt zudem dafür, dass sämtliche Details ohne die geringsten akustischen Ärgernisse hörbar wurden, ein seltener Genuss.
Alsmanns Lieder hat man gefühlt schon tausendmal gehört, manche davon vor sehr vielen Jahren, aber das Erkennen findet oft mit einer leichten Verzögerung statt. Denn geboten werden keine volksmusikalisch oder schlagermäßig verpackten Evergreens - sondern Jazz. Dafür sorgen fachmännische Arrangements, die den vielseitigen Klang der Gruppe mit müheloser Eleganz daherkommen lassen. Es sind Werke großer Komponisten und Texter, die Alsmann verarbeitet hat. Deren Spezialität waren schon immer Liebeslieder - romantisch und zart, verträumt und verrucht - aber auch draufgängerisch und wild.
Werke aus den 20ern bis in die 60er
Gespielt werden Werke aus der Zeit der »Silbernen Operette« der 1920er und 30er Jahre, Chansons der Nachkriegszeit oder Preziosen aus der Schlagerwelt der 50er und 60er: Die Titel bezeugen Eleganz, Humor und zeitlose Qualität. Live stellt sich dabei keinerlei Nostalgie ein. Zwar liefert Alsmann immer wieder kurze, witzige Rückblickreferate von tiefer Kenntnis. Doch seine bekannte Schnellsprechfähigkeit führt eher zu fröhlichen Aha-Momenten als zu schwiemeligen Retro-Seufzern - Alsmann ist nur im Hier und Jetzt.
Genau dort erweckt er etwa Greetje Kauffelds Hit »Nur eine schlechte Kopie« zu neuem Leben. Im wunderbaren Ton eines französischen Chansons lässt er diese melancholische Abrechnung mit einem hohlen Angeber neu entstehen. Hier erklingen ernste poetische Töne.
Alsmanns kleine - oder ausgewachsene - szenische Moderationen schweben dazwischen elegant übers Parkett. Etwa wenn der Mann aus Münster in einer liebevollen Karikatur von dem Nachkriegs-Filmstar Rene Deltgen erzählt. Das Publikum gerät ins Dauerschmunzeln und lässt sich von den verjazzten Oldies gerne mitnehmen.
So zeigt sich Alsmann in Gießen in seinem Element. Er streichelt den Flügel fast liebevoll, setzt federleichte Verzierungen oder lässt einen kleinen Lauf ins Stück hineinperlen. Und dann sein Gesang: Der 65-Jährige hat die Augen fast immer geschlossen. Wenn er von der Liebe singt, spürt man, dass er genau das jetzt fühlt. Diese Substanz der Schlager wurde bei ihrem Erscheinen häufig wenig geschätzt, es war Verbrauchsware, die allerdings auf vergleichsweise atemberaubendem Niveau komponiert und getextet war. Spitzenkomponist Michael Jary etwa brachte es auf 500 Hits.
Udo Jürgens und Bully Buhlan
Den Udo-Jürgens-Hit »Was ich dir sagen will« hört man da schon mit anderen Ohren, achtet auf die ausdrucksvollen Gesichter der Band und kann plötzlich ein ernst gemeintes Liebeslied entdecken. Dafür hatten seinerzeit nicht viele ein Ohr. Den Abschluss mit »Die kleine Stadt will schlafen gehen« lässt man sich wohlig gefallen, alle Spuren von aufkeimender Sentimentalität werden mit albern klackernder Perkussion vertrieben.
Alsmann bedankt sich für den schönen Abend und spielt als Zugabe den einst vom Berliner Schlagerass und Jazzcrooner Bully Buhlan berühmt gemachten Titel »Gib mir einen Kuss durchs Telefon« zur Ukulele. Da ist er dann ganz alleine mit den Gießener Zuhörern; Love is in the air.