Scharfe Pointen gegen Männer

Die Augsburgerin Birgit Süß glänzt am Internationalen Frauentag mit feinen Spitzen, Musik und Tanz in der Kongresshalle.
Gießen. Frauenthemen auf intelligente Weise mit Komik und Musik zu verbinden: das ist die Spezialität von Kabarettistin Birgit Süß. Im Rahmen des Internationalen Frauentags gastierte sie mit ihrem Programm »Das Graue vom Himmel« in der Kongresshalle. Begleitet von Bassist Klaus Ratzek räumte die gebürtige Augsburgerin in jeder Hinsicht komplett ab: Volltreffer.
Traditionell sind bei diesem Termin die Würdenträger der Stadt anwesend. Oberbürgermeister und Kulturdezernent Frank-Tilo Becher und die Beauftragte für Frauen- und Gleichberechtigungsfragen Frederike Stibane eröffneten den Abend. Becher wies zunächst auf den Krieg in der Ukraine hin, zu dem auch Folter und sexualisierte Gewalt gehörten. Die Menschen aus der Ukraine mit offenen Armen aufzunehmen bedeute zugleich, Frauen Schutz zu gewähren, die aus diesem Krisengebiet herauskommen. Im Iran sehe man den Protest gegen ein Regime, »das insbesondere Frauen einschränkt, drangsaliert, bedroht«. Wo Frauenrechte mit Füßen getreten werden, sei die Demokratie in Gefahr.
Es habe aber auch Fortschritte gegeben, »nicht zuletzt die Streichung des Paragraphen 219a, was uns in Gießen wegen des Kampfes von Kristina Hänel besonders berührt hat.« Zudem sei die Stadt vom Land Hessen als arbeitnehmerfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet worden. Man arbeite am Abbau von städtischen Angsträumen und treibe das »Konzept sicherer Heimweg« voran. »Sie sehen, der 8. März ist nicht der einzige Tag, an dem wir auf das Thema Gleichstellung blicken«, schloss der OB.
Die Beauftragte für Frauen- und Gleichberechtigungsfragen, Frederike Stibane, erwähnte, dass Frauen bis zum 1. März 2023 arbeiten mussten, um den Lohn zu erhalten, den Männer Ende 2022 erhielten. »Es gibt also noch viel zu tun.« Zugleich geschehe auch immer wieder Positives. Das Gießener Parlament bestehe immerhin schon zu 45 Prozent aus Frauen.
Birgit Süß, Kabarettistin, Sängerin und Tänzerin sowie 2021 zur Kulturpreisträgerin der Stadt Würzburg ernannt, zeigte sich bei ihrem Gießener Gastspiel auf vielen Ebenen zuhause. Gemeinsam mit dem exzellenten Bassisten und Tubaspieler Klaus Ratzek lieferte sie zur Einrahmung eine Reihe von »Schongsongs«. Der erste stammt von Juliette Greco und behandelte sogleich das Altern. Die Künstlerin, allerbestens disponiert, leitete sodann aufs Thema Fitnesstraining über: »Ich bin halt Sponsor,« sagte sie ironisch, und erzählte von der Atmosphäre im Studio. Ältere könnten da ruhig hingehen, »Da guckt keiner! Die gucken alle nur aufs Handy, und zwischendurch wird das Angebot gecheckt.« Das Make-up dort sei eine Wucht: »Dagegen war Michelangelo ein verdammter Dilettant!«
Süß nahm sich selbst vom Spott nicht aus: Ihren Kater habe sie »aus Griechenland einfliegen lassen. Sie geben einem ja so viel - Arbeit und Ärger.« In einem leichten Pfälzisch, das wir als Bayerisch hören, erwies sich die Kabarettistin, Jahrgang 1965, als springlebendig, streute häufig tänzerische Elemente ein, und lieferte sodann ein musikalisches Glanzlicht. »Weißkopfadler flieg« (»Du suchst den grauen Star« - »Komm mit einer Heizdecke zurück«) wurde ein echtes Schmankerl.
Pointen treffen Merz und Spahn
Eine Breitseite erhielten die Autorinnen von »Alte weise Männer«, Nena Brockhaus und Franca Lehfeld, die laut Verlag eine »Hommage an eine bedrohte Spezies« geschrieben haben. Der »AWM« sei zum Totschlagargument geworden, heißt es bei ihnen. Stattdessen seien die Alten Weißen »Die Generation, die unser Land am Laufen gehalten habe«, ätzte Süß. Die affirmative Naivität der Zitate raubte einem den Atem.
So zischte Süß durch ihr atemberaubend schnell vorgetragenes Programm, in dem sie das allergrößte Kunststück fertigbrachte: kontinuierlich besser zu werden. Großartig waren »Montagsmodell« (»Die lief doch noch nie rund«), das sie in sinnlichem Timbre vortrug. Dazu gab es schärfste Pointen gegen Friedrich Merz und Jens Spahn (»Der Mann, der die Frauen versteht«) und eine großartige Version des Prince-Klassikers »Kiss« als »schwäbischer Minnegesang«, überragend auch getanzt zum federleichten Bass.
Als Abschluss gab es ein selbstironisches Lied zum Besinnen aufs Finale: »Ich bin nicht Natur, ich gehör’ nicht auf den Kompost, weil ich nicht verotte, sondern verrost’« sang Birgit Süß. So herausragend gut und stimmungsvoll, dass man’s kaum glauben konnte. Das Publikum war hingerissen.