Schlüsselübergabe nicht nur Symbolik

Pfarrer Erik Wehner und das neu aufgestellte Pastoralteam sind von dem noch amtierenden Dekan, Pfarrer Martin Sahm, in ihre Ämter eingeführt worden.
Gießen . Mit einer feierlichen Messe in St. Albertus sind Pfarrer Erik Wehner und das neu aufgestellte Pastoralteam von dem noch amtierenden Dekan, Pfarrer Martin Sahm, in ihre Ämter eingeführt worden. Obendrein erhielt Wehner den Schlüssel zu seiner neuen Kirche. Allerdings stellt sich die Frage, zu welcher der drei Kirchen in Gießen der Schlüssel passt, denn in nächster Zeit werden gewaltige Umorganisationen und Restrukturierung auf die drei großen Gemeinden zukommen, die der neue leitende Pfarrer von Gießen umzusetzen hat.
Erste und letzte Amtseinführung
Daher enthält die Überreichung dieses Kirchenschlüssels mehr Symbolik als es zunächst scheint. Zum 1. August werden im Bistum Mainz sämtliche 20 Dekanate aufgelöst, was den Dekan zu der Bemerkung veranlasste, dass die Amtseinführung von Pfarrer Wehner seine erste und seine letzte gewesen sei. Auch das Dekanat Gießen wird aufgelöst. Stattdessen splittet es sich in drei Pastoralräume auf, wovon Gießen einer sein wird. Um diese Umwälzungen bewerkstelligen zu können, wurde ein Pastoralteam rund um Pfarrer Wehner gebildet, das sich mittlerweile regelmäßig trifft.
Pastoralteam eingeführt
Auch dieses Team wurde am Sonntag im Rahmen des Gottesdienstes feierlich von Sahm in die neuen Aufgaben eingeführt. Für die Koordinierung der neuen Abläufe ist ab September die Pastoralreferentin Carola Daniel verantwortlich. Nach Jahren der Arbeit für das Bistum Mainz freut sie sich darauf, erneut in ihrer Heimatstadt wirken zu können. Dem Team gehören des Weiteren an: Die beiden Pfarrvikare Mariusz Golonka und Stefan Wanske, die beiden Gemeindereferentinnen Deepa Kalayankary und Uta Kuttner, Priesteramtskandidat Lukas Tyczka, Kaplan Pater Febin Francis und Regionalkantor Michael Gilles.
Großer Wandel
Vieles wird sich in den nächsten Monaten verändern und auch die gemeinsame Amtseinführung des Pastoralteams und die des neuen leitenden Pfarrers Wehner sind dafür ein Zeichen. »Es ist sehr vieles in Bewegung«, sagte Pfarrer Wehner dazu, der den Reformweg des Bistums positiv unterstützt, denn auch er kennt die Realitäten der vergangenen Jahre, auf die die Kirchenleitung reagieren musste. Und das Bistum Mainz hat lange damit gewartet, es gehört zu den letzten, das mit einer Umstrukturierung begonnen hat, das Nachbarbistum Limburg ist in diesen Dingen schon erheblich weiter fortgeschritten.
Bischof Peter Kohlgraf erinnerte in seinem Begleitbrief zu der Ernennung an den Patron des Bistums, den heiligen St. Martin, der seinen Mantel geteilt habe und ebenso gelte es, den Glauben mit vielen zu teilen und der Frage nachzugehen, was Menschen heute von der Kirche erwarten würden und was sie bräuchten. Wehner mag den Vergleich mit dem Mantel des Martins: Die vielen Formen der Kirche werden unter dem großen Mantel des Patrons vereint, um sich gegenseitig zu stärken. »Wir müssen uns auf neue Gegebenheiten einstellen, denn die Volkskirche, so wie es sie nach dem Krieg gegeben hat, die gibt es heute nicht mehr. Der Glaube ist heute nicht mehr selbstverständlich. Darauf müssen wir Antworten finden«, erläuterte der neue Gießener Pfarrer. Er sieht in der Umgestaltung Chancen für die Gläubigen und auch für die Kirche selbst, die sich wegbewegt von der Zentralfigur des Priesters und mehr Verantwortung in Laienhände legt. So ist in diesem Konzept auch die Schaffung einer Verwaltungsstelle vorgesehen, um den Pfarrer in seiner administrativen Arbeit zu entlasten.
70 Prozent Verwaltungsarbeit
»Man hat ausgerechnet, dass mittlerweile 70 Prozent der Arbeit eines Pfarrers im Bereich der Verwaltung liegen. Ich begrüße die Idee der Schaffung einer eigenen Verwaltungsstelle, denn laut Berechnungen liegen rund 70 Prozent der Arbeit eines Pfarrers im administrativen Bereich. Ich möchte vielmehr in meiner Kernkompetenz, der Seelsorge, tätig sein und dort wichtige Impulse setzen.«
Bis spätestens 2030 wird aus den drei Pfarreien in Gießen und Heuchelheim eine Gesamtpfarrei Gießen gebildet werden, einen Gesamtpfarrgemeinderat gibt es bereits schon. Allerdings können die Gemeinden mit ihren Aktivitäten bestehen bleiben. »Dazu muss man die Begriffe Gemeinde und Pfarreien voneinander trennen: Die Pfarrei ist die Organisationsstruktur, während die Gemeinden die gelebte Kirche mit ihren Mitgliedern darstellt. Bisher wurden die beiden Begriffe fast synonym verwendet. Auch hier gilt es: hören, was die Menschen wirklich wollen.«
Wehner ist dabei sehr wohl bewusst, dass das Aufweichen von liebgewonnen Gewohnheiten wie der Gang in »seine Kirche« bei vielen ein Unbehagen auslöst. »Aber: Wir alle sind Kirche und wir versuchen jedem die Möglichkeit zu geben, den Glauben vor Ort aktiv zu leben, nur haben sich die Bedingungen geändert. In Gießen haben wir gute Voraussetzungen für ein Gelingen. Die Kirchen sind allesamt gut erreichbar.«
Viele »Kirchorte«
Ein großes Ziel ist es zudem, dass jede Form, in der Kirche sichtbar wird, sich miteinander vernetzt und zusammenarbeitet, egal ob Familien, Katholische Hochschulgemeinde oder nichtmuttersprachliche Gemeinden. »Überall findet Kirche statt, dafür wurde der Begriff ›Kirchort‹ geschaffen«, erläuterte Wehner und er lädt jeden herzlich ein, sich persönlich in den Prozess einzubringen.