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»Schön, dass wir kommen durften«

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Mehrgängiges Menü statt Kartoffelsalat: Die Helfer verteilten Essen an die Gäste. Foto: Jung © Jung

Damit keiner an Heiligabend allein sein muss: CVJM Gießen lädt seit 75 Jahren zur gemeinsamen Feier

Gießen . »Es drückt ein wenig auf die Stimmung, wenn man alleine zu Hause ist«, schilderte der Rheinländer, der jetzt in Gießen lebt, seine Gedanken an Heiligabend. Er wollte in Gesellschaft sein, folgte der traditionellen Einladung vom CJVM Gießen zur Frage »Wohin am Heiligen Abend?«. Und ihm begegnete dort zufällig eine Gießenerin, die ebenso den Abend in Gesellschaft verleben wollte. Erwartungsvoll saßen sie nun nebeneinander im Saal der Pankratiusgemeinde, zum ersten Mal erlebten sie das Ereignis unter so vielen Menschen: »Wir sind gespannt, was uns erwartet.«

Seit 75 Jahren lädt der CVJM zu einer Feier am 24. Dezember ein. Dieses Mal durfte wieder unter einem festen Dach gefeiert werden, vergangenes Jahr kümmerten sich die Ehrenamtlichen auf dem Gelände der Stadtmission in der Löberstraße um ihre Gäste. Unter den 40 Freiwilligen in diesem Jahr war auch Sonja Müller-Daubermann, die durch die engen Reihen ging und Tee ausschenkte. »Gottes Liebe, das ist Weihnachten«, sagte die Frau, die Menschen, die alleine sind, eine Freude machen will. Die Pohlheimerin war zum ersten Mal hier, gefeiert mit der Familie wurde am ersten Weihnachtsfeiertag.

Treue Gäste seit über zehn Jahren

Mit »Stern über Bethlehem«, gesungen von vielen Helferinnen und Helfern, begann der festliche Abend, für den die zwei Säle der Pankratisugemeinde vorbereitet wurden. Doch es kamen nicht so viele Menschen wie erwartet, so dass sich alles im Erdgeschoss abspielte. »Es ist eine besondere Weihnachtsfeier«, sagte Lisa Schilp bei ihrer Begrüßung und verwies auf die 75. Ausgabe. Einige Hände gingen in die Höhe, als sie fragte, wer denn mehr als zehn Jahre dabei sei. »Schön, dass wir kommen durften«, rief ein Mann dankbar durch den Saal.

Lisa Schilp kündigte an, dieses Mal sei »alles einmal komplett anders wegen des Jubiläums«. Ja, anders war zum Beispiel das Essen: Weg von Würstchen mit Kartoffelsalat, das änderte sich schon vor einigen Jahren. Eine Gemüse-Zwiebel-Suppe leitete das Festmahl ein, bei dem jede und jeder satt werden konnten. Klöße und Bolognesesoße fanden mehr Abnehmer als die Maultaschen mit Frischkäse Füllung, Gurkensalat und Couscoussalat ergänzten das Menü und auch der Nachtisch mit Obstsalat fand reichlich Abnehmer. Spendiert hatte das Essen das »Gutburgerlich«.

Frauen und Männer vom CVJM formulierten zum ersten Mal 1947 die Frage »Wohin am Heiligen Abend?« - verbunden mit einer Einladung. Not und Elend herrschten noch zwei Jahre nach dem Krieg, Spätheimkehrer aus dem Krieg, die keine Familie mehr hatten sowie Geflüchtete und Lehrlinge, die in Gießen eine Lehre begonnen und im damaligen Friedrich-Naumann Haus eine Wohnung bekamen, saßen an diesem Abend zusammen.

Später fanden Spätaussiedler, Asylsuchende oder Wohnungslose zu den Weihnachtsfeiern in großer Runde. Mit der Einladung will der CVJM Menschen, die sich einsam fühlen und Weihnachten gerne in Gesellschaft verbringen möchten, ein wenig Geborgenheit vermitteln.

Tim Schilp und Sebastian Jung führten das aktuelle Koordinationsteam an. Wieder waren es Ehrenamtliche, die mit viel Herzblut die Veranstaltung vorbereiten und den Gästen einen schönen Einstieg in Weihnachten bescherten. Alles war perfekt organisiert, auch ein Sicherheitsdienst stand bereit. Teelichter brannten und es wurde für einen Moment still, nachdem Tim Schilp eine kleine Ansprache, die zum Nachdenken anregte, gehalten hatte.

Gemeinsame Lieder, die besondere Weihnachtsgeschichte und weitere Beiträge gestalteten die Feier und die Zeit verging wie im Flug. Als Erinnerung konnten sich die Gäste Fotos aus der Sofortbildkamera mitnehmen. Für die Helferinnen und Helfer war es ein langer Tag, doch das nehmen sie gerne sie hin. Die Dankbarkeit der Menschen, die einen schönen Abend verlebten, ist für sie ein kleines Geschenk.

Spende aufgestockt

Nur durch die Unterstützung von Privat- und Geschäftsleuten sowie der Kirchen und Vereine war es möglich, das Angebot über diese lange Zeit aufrecht zu erhalten. Die Spendenbereitschaft habe bei ihnen nicht nachgelassen, sagte Larissa Mehrwald, Bereichsleitung Jugendverbandsarbeit beim CVJM. So stockte ein Unternehmer seinen Obolus von 1500 auf 2000 Euro auf »wegen der Inflation«. Auch bei den Sachspenden hielten sich die Unterstützer nicht zurück. So durften die Gäste später vor dem Nachhauseweg und dem Lagerfeuer draußen ihre Geschenke wie Duschgel, Nudeln, Kaffee, Schokolade und mehr abholen.

Wie auch in der Vergangenheit suchten CVJM-Mitglieder Diensthabende bei der Polizei, der Feuerwehr, im Gefängnis oder in Krankenhäusern auf und überreichten als Dank Präsente. Ursprünglich wurde im früheren CVJM-Haus in der Moltkestaße gefeiert. Seit dem Umzug in die Wetzsteinstraße finden die Weihnachtsfeiern in den beiden Sälen der Pankratiusgemeinde statt. Mehr Gäste als im vergangenen Jahr, aber weniger als in der Zeit davor, fanden sich dieses Mal ein, berichtete Tim Schilp. Er erwähnte auch den OBI Gießen sowie die Rewe-Märkte Frohnhausen und Staufenberg als heimische Unterstützer.

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Die Mitwirkenden begrüßten die Gäste musikalisch. Foto: Jung © Jung

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