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Seine letzte Reise führte nach Gießen

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Ein schlichtes Grab, das auf die Persönlichkeit des Wissenschaftlers schließen lässt: Wilhelm Conrad Röntgens Ruhestädte auf dem Alten Friedhof. Foto: Klein © Klein

Gießen. Wilhelm Conrad Röntgen muss ein bescheidener, zurückhaltender Mensch gewesen sein. Wer nach seiner letzten Ruhestätte auf dem Alten Friedhof sucht, sollte - trotz der Hinweistafeln entlang des Weges - schon gut aufpassen, um nicht kurzerhand daran vorbeizulaufen. Im Gegensatz zu einigen anderen prominenten Wissenschaftlern seiner Zeit, die hier in prächtigen oder zumindest prunkenden Grabstätten beerdigt wurden, hat sein von einer Hecke und einem gepflegten Beet umrahmter Stein eine eher schlichte Anmutung.

Fast ein wenig scheu wirkt das Geviert, das sich zwischen dem Grün wegzuducken scheint. Auf dem mit einem schmalen Kreuz versehenen Grabstein sind zudem allein die Namen der vier hier beerdigten Menschen eingraviert. Und, wie Friedhofsführerin Dagmar Klein betont: »Er hat ihn selbst ausgesucht.«

Die Wettenbergerin führt Besucher schon seit rund 30 Jahren über den Alten Friedhof. Zahlreiche Geschichten kann sie zu den vielen prominenten Namen erzählen, die auf dem Areal zu finden sind. Und natürlich auch zu dem Wissenschaftler, der den Strahlen seinen Namen verlieh.

Warum also hat dieser in Westfalen geborene, in Würzburg zur Forscherlegende gewordene, in München gestorbene Mann seine letzte Ruhestätte in Gießen gefunden? Das hing mit seiner engen familiären Bindung an die Stadt zusammen, berichtet Dagmar Klein. Röntgens Eltern folgten dem Wissenschaftler, als er einen Ruf an die hiesige Universität erhielt. Und beide starben bald darauf in Gießen: Mutter Charlotte Constanze bereits 1880, ein Jahr nach der Übersiedlung, ihr Ehemann Friedrich Conrad Röntgen vier Jahre später. Der Forscher wechselte im Jahr 1888 nach Würzburg, wo er seine bedeutendste Entdeckung machte. Doch die Verbindung ins Mittelhessische blieb bis zu seinem Lebensende bestehen - und darüber hinaus.

So wurde auch seine Ehefrau Bertha nach ihrem Tod im Oktober 1919 im Familiengrab beigesetzt. Und Röntgen selbst, der schon seit vielen Jahren in München lehrte, folgte als Letzter des Quartetts nach. Noch einmal zu Besuch in Gießen war der an Darmkrebs erkrankte Forscher im November 1922, um einige letzte Dinge zu regeln, wie Dagmar Klein berichtet. Er starb am 10. Februar 1923 in München. Bis zu seiner Beisetzung dauerte es allerdings noch bis zum 10. November. Nach der Trauerfeier in der Kapelle wurde er im Gießener Familiengrab beigesetzt. Den langen Zeitraum bis dahin erklärt sich Dagmar Klein mit den vielen Honoratioren, die ihm wohl bei der Trauerfeier ihre Aufwartung machen wollten. »Es könnte so lange gedauert haben, bis sich da ein Termin gefunden hat.« Da Röntgens Ehe kinderlos blieb, endet damit diese Familiengeschichte auf dem Alten Friedhof.

Anlässlich des im Jahr 2020 geplanten Jubiläums hat Dagmar Klein auch einen Rundgang konzipiert, der allein die Gießener Spuren und Stationen des Physikers zum Thema hat. Dazu zählt seine Wohnung in der Südanlage, an die eine Plakette erinnert. Dazu zählt das Wandgemälde der 3Steps, das im Jahr 2020 entstanden ist. Dazu zählt das Röntgendenkmal im Theaterpark, das im Jahr 1962 errichtet wurde. Ebenso wie natürlich die Universität, in der sich eine Büste befindet, ebenso wie eine Kopie der Nobelpreisurkunde. Nachdem ihr Programm wegen der Pandemie zunächst nicht stattfinden konnte, hat Dagmar Klein es nachträglich wieder aufgenommen. Und im Laufe der Jahre natürlich auch mancherlei Erfahrungen mit Besuchern gesammelt, die Röntgens Grab besichtigen wollten. Tagestouristen waren ebenso darunter wie Besucher von Kongressen, die beruflich mit dem Wissenschaftler in Kontakt gekommen sind. Und auch eine Influencerin war schon da, die sich sich vor dem Grabstein für ihre Kamera in Positur warf, wie Dagmar Klein erzählt. Das dürfte bei diesem introvertierten, ganz seiner Forschung verpflichteten Mann und seinem unauffälligen Grabmal, für einen interessanten Kontrast gesorgt haben.

Dagmar Kleins nächste Führung »Auf den Spuren von Röntgen durch Gießen - vom Grab zum Denkmal« findet am Samstag, 1. April, von 14 bis 16.30 Uhr auf dem Alten Friedhof statt. Interessenten können sich bei der VHS Stadt Gießen (Kurs-Nr.1100) anmelden.

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