Sekt oder Selters am 31. März

Warnstreik am UKGM - Verdi kündigt Großdemonstrationen in Gießen und Marburg an
Gießen . Die Kongresshalle ist rappelvoll, die Stimmung kämpferisch. Zwei Tage lang haben rund 800 nicht-ärztliche Angestellte des Uniklinikums Gießen und Marburg (UKGM) am Montag und Dienstag ihre Arbeit niedergelegt, um dort über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Wenn man diese Menschenmenge sieht, mag man kaum glauben, dass in den Kliniken trotzdem noch gearbeitet worden ist. Doch die Patientenversorgung ist durch Notdienstvereinbarungen an beiden Standorten gewährleistet. Gestreikt wurde am Dienstag bis zum Ablauf der Spätschicht, die in der Regel um 23 Uhr zu Ende geht.
Streikbereit
Eines steht jetzt schon fest: Sollte es bis zum Ablauf eines Ultimatums an den Arbeitgeber am 24. März nicht zu einer Einigung über einen »Tarifvertrag Entlastung« kommen, wird aus dem Warnstreik ein richtiger Streik. Auftakt für diesen wären bereits jetzt fest eingeplante Demonstrationen am 31. März ab 15.30 Uhr in Gießen und ab 17 Uhr in Marburg. »Sollte es aber zu einer Einigung kommen, werden wir an diesem Tag darauf mit einem Gläschen Sekt anstoßen«, meinte Verdi-Gewerkschaftssekretär Julian Drusenbaum in einer Pressekonferenz am gestrigen Morgen.
Sein Kollege Fabian Dzewas-Rehm unterstrich noch einmal die hohe Streikbereitschaft der UKGM-Belegschaft, zu der sich 4163 Kolleginnen und Kollegen schriftlich bekannt hätten. Wie schlecht die Stimmung sei, verdeutliche auch eine Verdi-Umfrage am UKGM, die Dzewas-Rehm nun vorstellte. Die Frage, ob die aktuellen Arbeitsbedingungen für einen selbst in den nächsten Jahren tragbar seien und eine gute Patientenversorgung gewährleisteten, hätten gerade mal 0,4 Prozent der Befragten uneingeschränkt bejaht. Dagegen antworteten 59,6 Prozent mit »Nein« und 35,7 Prozent mit »Eher Nein«.
Unter diesen Arbeitsbedingungen würden aber nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Patienten leiden. Die Frage »Wie oft konntest Du nach einer Schicht sagen, dass Du Deinem beruflichen Anspruch gerecht werden konntest?« beantworteten 42,7 Prozent der Befragten mit »Selten« oder »Nie« und nur 13,2 Prozent mit »Häufig« oder »Immer«.
Ein großes Ärgernis der vom Land Hessen und den Klinikbetreibern in der Vorwoche vorgestellten Einigung über künftige Investitionen ist für Verdi, dass bei einem Volumen von »knapp einer Milliarde Euro« nicht mal eine Job-Garantie für die 300 Kollegen drin gewesen sei, die bereits in selbstständige Betriebe ausgegliedert worden seien, rügte Dzewas-Rehm: »Krankenhausarbeit ist aber Teamarbeit, und diese Kollegen arbeiten in einem Team mit denen, die jetzt in den Genuss einer Job-Garantie kommen.«
Personal fehlt
In der Pressekonferenz schilderten Frauen und Männer verschiedener nicht-ärztlicher Abteilungen die Belastungen ihres Berufsalltags. Immer wiederkehrende Klage war die Unterbesetzung des UKGM in allen Bereichen. Darunter litten sowohl Auszubildende, die nach kurzer Zeit und ohne richtige Anlernphase schon auf Patienten »losgelassen« würden, was diese vielfach überfordere, als auch Techniker. Weil diese zu wenige seien, um medizinisches Gerät »vom Fieberthermometer bis zum Beatmungsgerät« in den gesetzlich vorgeschriebenen Intervallen zu warten, müssten viele eigentlich funktionsfähige Geräte zu lange stillgelegt werden und fehlten so wiederum bei der Patientenbehandlung.
Dzewas-Rehm betonte, dass es in vielen deutschen Krankenhäusern bereits Entlastungstarifverträge gebe. Als Beispiel nannte er die Berliner Charité, die seitdem 500 neue Stellen besetzen konnte und damit erstmals seit Jahren mehr, als durch Kündigungen oder Rente wegfielen.
Kernforderung für einen Entlastungstarifvertrag sei, so betonte eine Pflegerin, dass Schichtpläne konsequent eingehalten würden. Sollte es doch einmal nötig werden, dass über das vorgeschriebene Maß hinaus länger gearbeitet werde, müsse dies zeitnah durch Freizeit ausgeglichen werden. »Keiner von uns möchte eigentlich zu solchen Maßnahmen wie Streiks greifen«, versicherte die Pflegerin, »aber Klatschen allein, wie in der Pandemie, ändert leider gar nichts«. Deshalb brauche man eben eine solche tarifliche Vereinbarung.
Die Gewerkschaftsvertreter waren sich einig, dass eine Einigung so oder so kommen werde. Entweder am 24. März, wenn das Ultimatum ablaufe, oder »eben später«. Sollte es also in den nächsten 16 Tagen zu keinem Tarifabschluss kommen, dürfte es weitere Tage mit Notbesetzung in den Kliniken geben.
Kein Verständnis
Den Streiktag in der Kongresshalle nutzten die UKGM-Mitarbeiter, um in verschiedenen Arbeitsgruppen gezielte Forderungen für die einzelnen Arbeitsbereiche zu formulieren, die medizinisch und fachlich begründet seien. »Wir wissen schließlich selbst, dass das hier kein ›Wünsch-Dir-Was‹ ist«, sagte Drusenbaum.
»Es gibt keinen Anlass für diese Warnstreikaktionen. Alle offenen Fragen zur Beschäftigungssicherung und Entlastung am Uniklinikum Gießen und Marburg können am Donnerstag konstruktiv am Verhandlungstisch erörtert werden - dort gehören sie hin«, betonte dagegen noch einmal der Verhandlungsführer der Arbeitgeber und Vorsitzende der Geschäftsführung des UKGM, Dr. Gunther K. Weiß.