Sex und Witz und Rock’n’Roll

Der Musikstar als Fotokünstler: Andy Summers, der einstige Gitarrist von The Police, zeigt im Wetzlarer Leica Museum das Leben auf Tour ebenso wie atmosphärische Szenen aus aller Welt.
Wetzlar. Der Brite Andy Summers war schon immer ein besonderer Rockstar. Einer, der das Leben als umjubelter Musiker genoss, der sich aber gleichzeitig nie auf dem Ruhm ausruhte und künstlerisch stetig neue Richtungen einschlug. Mit seiner Band The Police - Sänger und Bassist Sting sowie Drummer Stewart Copeland - war er Anfang der 80er Jahre einer der wichtigsten und einflussreichsten Wegbereiter des New Wave. Zugleich landete das Trio einige riesige Pophits (»Every Breath You Take«, »Roxanne«). Doch die Wege trennten sich Mitte der 80er und Summers war fortan zumeist abseits des Mainstreams unterwegs. Er spielte vor allem Jazz und arbeite als Studiogitarrist für zahlreiche namhafte Kollegen. Vom Fachblatt »Rolling Stone« wurde der stilbildende Instrumentalist 2011 auf Platz 85 der »100 besten Gitarristen aller Zeiten« gesetzt. Doch im Wetzlarer Leica Museum ist der Brite nun als Fotokünstler zu entdecken - wenngleich die sehr gelungene Ausstellung auch den Rockstar von The Police zum Thema macht.
Auf einer Tour ging es los
Bei einem Presserundgang zusammen mit Kuratorin Karin Rehn-Kaufmann berichtete der gerade aus seiner Wahlheimat Los Angeles angereiste und bemerkenswert agil wirkende 79-Jährige, wie er zur Fotokunst kam. Es war auf einer US-Tour im Jahr 1979 - »wir waren damals wirklich richtig groß«, - als The Police in einem New Yorker Hotel auf den nächsten Auftritt wartete. Da wurde ihm klar, dass er sich noch auf andere Weise beschäftigen muss, als allein zwischen den Konzerten in den Tag hineinzuleben und »auf die Wände zu starren«. Er ging raus auf die Straßen der Metropole und suchte nach lohnenden Motiven. Und begann zugleich, sich professionell mit der Fotografie zu beschäftigen. Bei der Suche nach lohnenden Motiven hatte er einen entscheidenden Vorteil: »Niemand war näher an der Band dran als ich. Schließlich war ich ein Teil von ihr.«
Seine Leidenschaft für die Fotografie ist aber schon viel älter. Als Jugendlicher hatte Summers erstmals eine Kamera in den Händen. Er verdiente sich etwas Geld damit, Leute auf dem Strandpier seiner Heimatstadt Bornemouth zu fotografieren. »Außerdem konnte man da immer Mädchen treffen«, scherzte der nahbare Künstler beim Pressegespräch. Doch die Obsession für Gitarren wurde bald allzu stark - und Summers schlug eine Karriere als Profimusiker ein.
Das Leben auf Tour mit The Police wird in einem abgegrenzten Bereich der Wetzlarer Schau zum Thema. Sting hinter der Bühne, Schlagzeuger Copeland in einer Bar, kreischende Fans vor der Bühne, aber auch Blicke aus dem Tourbus auf Straßen, Fassaden, windschiefe Telegrafenmasten: All das ist in bemerkenswert ästhetischen, kleinformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen zu sehen. Und auch eine Ahnung vom freizügigen Sex, der damals wohl unweigerlich zum Rockstarleben gehörte, ist in Wetzlar zu bekommen.
Immer wieder Hotelzimmer
Die Hotelzimmer eigneten sich dabei als geeignete Kulisse, um nackte Frauenbeine, -rücken und -brüste in Szene zu setzen. Aber auch eine Menge Humor steckt in den Aufnahmen aus der großen Bandzeit von The Police. Etwa in dem Motiv eines langen Hotelflurs, auf dem eine ausgerollte Klopapierrolle den Vordergrund ausfüllt. Beschriftet ist sie mit dem Wort »Help!«.
Doch Andy Summers setzt in der Ausstellung nicht nur das bisweilen schillernde, glamouröse, aber auch melancholische Momente offenbarende Rockstarleben in Szene. Seine vielen Reisen als Musiker brachten ihn in die unterschiedlichsten Weltregionen, die, thematisch geordnet, in Wetzlar zu entdecken sind. Aufnahmen aus China und Japan gehören ebenso dazu wie Bilder aus europäischen Metropolen und Straßenszenen aus Südamerika.
In München hat Summers den Rücken eines Polizisten auf eigenwillige Weise abgebildet, in Kopenhagen fand er einen seltsam wirkenden alten Mann in einem Café, der Ohrenwärmer trägt. In London, Rom und Paris sind es menschenlose Straßenszenen, in Marokko findet sich ein Kopf unter einem Lampenschirm, die Summers Blick für das Außergewöhnliche, das Abseitige, auch das Surreale zeigen. Denn »nichts an diesen Szenerien sei inszeniert«, betont der 79-Jährige.
So trägt die Ausstellung den passenden Titel »A Certain Strangeness« - übersetzt etwa »eine spezielle, eine gewisse Fremdheit«, die 150 Fotografien und eine Menge solcher eindrücklichen Momente aus den Jahren 1979 bis 2018 bereithält. »Ich interessiere mich sehr für Film, für Malerei, für Visual Arts«, sagt Summers. Gerade hat er sich wieder von der Ästhetik des schwarz-weißen Pasolini-Films »Mamma Roma« von 1962 begeistern lassen. In der Kunst suche er stets nach einem Gefühl von Rhythmus, von Struktur, auch von Musik, sagt der 79-Jährige. »Das alles brauchst du auch in der Fotografie.« Zudem schärfe die Arbeit mit der Kamera die Sinne, sie halte ihn wach und unter Spannung. Und auch eine Parallele zur Arbeit als Musiker ist für ihn wichtig: »Beides kannst du ohne Worte verstehen.«
Die Ausstellung »A Certain Strangeness« von Andy Summers ist bis zum 5. Oktober im Ernst Leitz Museum in Wetzlar zu sehen. Öffnungszeiten sind montags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt beträgt 11 (8) Euro. Kinder bis sieben Jahre sind frei. (red)


