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Sommernacht im Februar

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Von: Thomas Schmitz-Albohn

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Energiegeladen am Dirigentenpult: Generalmusikdirektor Andreas Schüller. Foto: Daniel Regel © Daniel Regel

Gießen. Im Reich der Feenkönigin sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Diese Vorstellung beflügelte wohl auch Generalmusikdirektor Andreas Schüller, als er das Programm für das Sinfoniekonzert zum Thema »Sommernachtstraum« zusammenstellte und Ausschnitte aus Henry Purcells Semi-Opera »The fairy Queen« von 1692 mit Stücken aus anderen Stilepochen kombinierte und so etwas völlig Neues schuf.

Im vollbesetzten Stadttheater zeigte sich am Donnerstagabend mit dem inspiriert musizierenden Philharmonischen Orchester Gießen, dass der Plan seines Dirigenten glänzend aufgegangen ist: Die Zuhörer ergaben sich ganz dem Märchenzauber des Feenwaldes, der in dieser Neuinterpretation, wie es schien, noch an geheimnisvoller, unergründlicher Atmosphäre hinzugewonnen hat. Der herzliche Applaus des Publikums galt daher besonders dem erfolgreichen Experiment, dessen Gelingen von Einfühlung, Geschmack und Können zeugte. So eine Sommernacht mitten im Februar lässt man sich gerne gefallen.

Von Freuden und Leiden der Liebe

Purcells Melodien zwischen zartem Idyll und festlich-barocker Klangpracht traten unter Schüllers elanvollem Dirigat in belebender Leichtigkeit hervor. Sie erzählen von der Süße und den Schmerzen der Liebe. So besang Annika Gerhards mit ihrem anmutigen Sopran in der berührenden Arie »If love’s a sweet passion« die Freuden und Leiden der Liebe und machte das Klagelied »O let me weep« zu einer innigen Darbietung, wozu auch die auf Violine (Daniela Friedrich-Braun), Cello (Attila Hündöl) und Cembalo (Andreas Schüller) reduzierte Begleitung beitrug.

Wie mit einfachen Mitteln ein großer Effekt zu erzielen ist, war im tiefschwarzen »Hush no more« des Basses Clarke Ruth zu hören. Mit einem vielstimmigen »Hail, great parent, hail« über den ewigen Kreislauf der Natur brachte sich der Theaterchor, der zu beiden Seiten des Orchesters Aufstellung genommen hatte, ins Spiel.

Eingebettet in Purcells »Fairy Queen« erklang übergangslos die 1954 entstandene »Piccola musica notturna« (Kleine Nachtmusik) von Luigi Dallapiccola. Dazu ist er durch das Gedicht »Noche de verano« (Sommernacht) von Antonio Machado angeregt worden. Es beschreibt einen bei Nacht verlassenen Dorfplatz, auf den das Mondlicht schwarze Schatten wirft. In der Wiedergabe durch das Orchester kam klar zum Vorschein, wie die nächtliche Einsamkeit den Komponisten zu introvertierten, zarten Klängen inspiriert hat, die eine kontemplative Stimmung beschreiben.

Wiederum ohne Übergang setzte Carl Maria von Webers meisterhafte Ouvertüre zu »Oberon« dem Ganzen zum Abschluss die Krone auf. Mal beschwingt, mal in romantisch blühendem Ton schwang sich das Orchester empor und ließ hören, wie Oberons Horn geheimnisvoll lockt, wie die Stimmen der Elfen antworten, wie Puck vor Vergnügen hüpft - alles in zartem Kolorit.

Mit Romantik pur ging es nach der Pause weiter: In leuchtenden Farben und einer vor Spannung knisternden Aufführung hielt das Orchester mit Felix Mendelssohn Bartholdys Schauspielmusik zum »Sommernachtstraum« das Publikum in Atem. Das Flirren der Geigen, der helle Klang der Holzbläser, die Hornstöße des Esels, der schnelle Wechsel von Piano und Forte - all das versetzte die Zuhörer von der genialen Ouvertüre an in die Feen- und Geisterwelt des imaginierten Zauberwaldes.

Energiegeladen agierte Andreas Schüller am Dirigentenpult, ging einige Male in die Kniebeuge, als wolle er dem Orchester jede noch so feine Regung entlocken. So kam der tonmalerische Charakter im zauberhaften Scherzo schön zu Geltung, und im Allegro appassionato ließen die Bläser keine Wünsche offen.

Liebreiz verbreiteten die Sopranistinnen Annika Gerhards und Julia Araújo sowie der Frauenchor im Lied »Bunte Schlange, zweigefügt«, bevor es der Dirigent und die Musiker im Hochzeitsmarsch noch einmal richtig krachen ließen. Langanhaltender Applaus war die Belohnung.

Aus aktuellem Anlass sammelten Mitarbeiter des Theaters am Ausgang Geldspenden, mit denen den Erdbebenopfern in der Türkei und in Syrien geholfen werden soll.

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