Sprache auf Knopfdruck

Mit einer sprechenden Tafel: Die Martin-Buber-Schule aus Gießen gewinnt bei »Weltverbesser«-Wettbewerb der Landesregierung
Gießen . Weltverbesserer. So dürfen sich die Schülerinnen und Schüler der Martin-Buber-Schule nun nennen. Denn die Einrichtung hat an dem gleichnamigen Wettbewerb der Hessischen Landesregierung teilgenommen und dabei sogar einen Preis eingeheimst. Mit ihrer Idee einer sprechenden Wand haben die jungen Menschen die unabhängige Jury in Wiesbaden überzeugt. Als Belohnung gibt es für sie 500 Euro, mit denen die gemeinsame Idee in die Realität umgesetzt werden soll.
Den Gedanken hinter der sprechenden Wand für die Schule, an der Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen unterrichtet werden, erläutert Leiterin Dr. Gabriele Kremer im Gespräch mit dem Anzeiger: »Wir haben eine ganze Reihe nicht-sprechender Schülerinnen und Schüler und auch einen gigantischen Migrationsanteil. Für sie wollen wir die Willkommenskultur an unserer Schule erhöhen.« Wer also künftig den Eingangsbereich der Schule betritt, kann dort auf verschiedene Flaggen drücken und wird dann in der jeweiligen Landessprache begrüßt: Herzlich Willkommen!
Unterstützte Kommunikation
Bereits jetzt gebe es in der gesamten Schule zahlreiche Sprachausgabegeräte für die Kinder und Jugendlichen, die nicht oder nur wenig sprechen können, erläutert Kremer. »Ich möchte mithelfen«, »Ich brauche Unterstützung« oder einfach nur »ja« oder »nein« - die sogenannte Unterstützte Kommunikation ermöglicht es den Kindern und Jugendlichen, sich auch ohne Sprache mitzuteilen. Und auch den Essensplan an der Schulküche kann sich der Nachwuchs so vorlesen lassen. »Die Kinder kennen das bereits: Sie drücken auf eine Taste und es spricht.«
Das Besondere an der kommenden Begrüßungswand: Die Kinder und Jugendlichen setzen das Vorhaben mit Unterstützung ihrer Lehrerin Michaela Müller, die das Projekt leitet, selbst um. »Zu Beginn haben die Schülerinnen und Schüler eine Umfrage gemacht in den Klassen und bei den Kollegen, welche Sprache bei ihnen zuhause gesprochen wird, außer Deutsch.« Das Ergebnis: 27 verschiedene Muttersprachen gibt es an der Martin-Buber-Schule, an der derzeit 190 Kinder und Jugendliche unterrichtet werden.
Im nächsten Schritt schaute sich der Nachwuchs die einzelnen Sprachen näher an: Wo werden sie gesprochen? Wo liegen die Länder? »Anschließend haben die Schülerinnen und Schüler von jeder Sprache einen Vertreter eingeladen und ihn gefragt ›Wie heißt ›Herzlich Willkommen‹ in deiner Sprache?‹. Das haben sie gefilmt und auch Audios aufgenommen«, erläutert die Schulleiterin. Und eben diese Audios sollen bei der Wand zum Einsatz kommen.
Für die Preisverleihung war eine kleine Gruppe der Martin-Buber-Schule nach Frankfurt gereist. Dort stellten die Kinder und Jugendlichen ihr Projekt »Herzlich Willkommen in allen Sprachen« vor. Der Ausflug in die Mainmetropole sei sehr schön, aber auch sehr aufregend für den Nachwuchs gewesen, erzählt Schulleiterin Kremer. Vor der Preisverleihung, die an der Goethe-Universität stattfand, hatten die Gießener noch ein kleines Picknick in der Nähe vom Stadion der Frankfurter Eintracht gemacht.
Mit den »Weltverbesserer«-Projekten wolle man junge Menschen, die sich für das Gemeinwohl engagieren, ins Rampenlicht rücken, sagte Staatsminister Axel Wintermeyer bei der Würdigung. »Engagement ist nie selbstverständlich, für die Gesellschaft allerdings elementar. Wir brauchen weiter Menschen, die sich einbringen und zum Zusammenhalt beitragen.« Gerade die Pandemie habe gezeigt, was junge Menschen für die Gesellschaft leisten.
Neben dem Projekt der Martin-Buber-Schule wurden noch zehn weitere Ideen aus ganz Hessen ausgezeichnet. Bevor das Team aus Gießen sich auf den Heimweg machte, durfte es Urkunden entgegennehmen. Und darauf steht: »Die Schülerinnen und Schüler der Martin-Buber-Schule sind Weltverbesserer.«

