1. Startseite
  2. Stadt Gießen

Sprudelnde Vielfalt von Formen und Inhalten

Erstellt:

Beim »Hungry Eyes-Festival« in Gießen zeigten Künstler aus aller Welt ihre oftmals ungewöhnlichen Filme und Videoinstallationen, teils auch in 3D.

Gießen (hsch). Um Film geht’s oft in dieser Stadt - um neue, kurze, ganze Serien oder sogar experimentelle. Mittlerweile lief wieder das »Hungry Eyes-Festival« im Kultur im Zentrum (KiZ). Es bot mit seinem breiten Spektrum vom Experiment bis zur filmgestützten Performance an drei Tagen eine fast unübersehbare, sprudelnde Vielfalt der Formen und Inhalte von ganz theoretisch bis ganz konkret: eine große Attraktion. Die Wahl war auf das KiZ als Festivalort gefallen, »weil wir den Menschen Film an Orten zeigen möchten, an denen sonst bildende Kunst gezeigt wird,« sagte Amelie Haller vom Festivalteam. Auch diesmal wieder nahmen Künstler aus aller Welt teil. Im Folgenden einige Impressionen.

Trat man vom Japanischen Garten aus ins KiZ, traf man zuerst auf Zuza Banasinskas (*1994, Polen) Arbeit »The house that shadows built«. Sie zeigt Szenen aus Kalifornien, einem fiktiven Studio. Das Werk ist auf drei Monitoren fließend überschnitten und changiert permanent. Der Clou ist die Verwürfelung einzelner Bildelemente, die auch mal im Nachbarbild auftauchen. Die Künstlerin hinterfragt die traditionellen filmischen Erzählweisen, zeigt aber auch eine Art Achterbahnfahrt. Ein Blick in die Runde zeigte vor allem diverse VFR-Brillen. Die Geräte ermöglichen dem Besucher in 3D, in eine inszenierte und gefilmte Realität gleichsam räumlich einzutreten. Dann sieht man nur noch die Illusion und hört auch den dazugehörigen Ton. Das können einfache gefilmte Szenen sein, zu denen man aber seinen Blickwinkel selbst wählen kann.

Ganz besonders war dabei »1984 is now« von Jafar Hejazi. Der Iraner (*1992, Master in Digital Storytelling) nahm den Betrachter mit auf eine 3D-Rundfahrt durch einen Stadtteil Teherans. Damit nicht genug, wurde der Gast auf einem Handwagen durch die Innenstadt Gießens bugsiert, von der er natürlich außer einigen Geräuschen nichts mitbekam. Man glitt durch Teherans belebte Innenstadt mit ihrem heftigen Autoverkehr und hörte einer Geschichte zu, die ein junger Iraner erzählte; mit englischen Untertiteln. Verblüffend, wie real sich das anfühlte.

Eine Hauptattraktion war die Performance »Never solo« des Nina & Karimy-Kollektivs. Deren Multimedia Performance behandelte Themen wie psychische Zustände, Rausch, Erinnerung, und künstlerische Visionen; hoch ideologisch beladen (»Weiße Menschen dürfen alles, immer«). Nina, eine kurdische Künstlerin, sprach sehr dramatisch zu den Bildern, häufig mit Naturmotiven, die aber weniger eindrucksvoll waren.

Im Untergeschoss sah man verschiedene Videoarbeiten, zum Teil nahmen sie ganze Wände ein, zum Teil wurden sie auf VFR und der Wand gezeigt, teils auf Monitoren. Auffallend ist sofort »It’s gonna be a long time before I go into the woods« von Joanna Zabielska. Thema: »Der Zustand des Menschen am Rande von Leben und Tod«. Optisch sehr attraktiv. Genau wie Jonas Beiles Installation eines Roboterarms mit einem Tablet, auf dem Google-Landschaftsaufnahmen zu sehen waren. Ein Computer schwenkte das Tablet teils wild in der Luft herum (Titel: »Whatcha gonna do (When they come for you)«).

Einen wesentlichen Aspekt des Festivals stellten die Filmblocks dar. Hier wurden etwa witzige absurde, berührungsvermeidende Begrüßungsformen in der heutigen Zeit gezeigt (Natalia del Mar Kašik & Antonia de la Luz Kašik: »Hello«); sehr anregend. Es gab sehr theoretische Arbeiten mit viel Text etwa über Tanz (»Slides« von Roni Katz) und eine heitere, etwas absurde Schwimmlektion für Beduinenkinder in der Negevwüste (»Swimming lesson« von Vardit Goldener). Eindrucksvoll erörterten Katharina Soon-Hi Thaler, Quynh Le Nguyen, Stella Deborah Traub (»Töchter«) Konflikte zwischen Eltern und Töchtern - kundig, ganz unverblümt und anrührend.

Im Rückblick freute sich Eva Streit vom Festivalteam: »Alle Veranstaltungen sind gut und planmäßig gelaufen, und besonders die ›Trashnight‹ auf der Probebühne der Angewandten Theaterwissenschaften war ein Treffer.« Den Publikumspreis erhielt der Kurzfilm »Benny Ballon«. Aus Solidarität mit der Ukraine wurden am Sonntag vier Filme dortiger Künstler gezeigt.

Auch interessant