Stadtschülerrat gegen Klimakleber

Vertreter des Stadtschülerrats üben Kritik und lehnen Anwerbeversuche der »Letzten Generation« in Schulen ab.
Gießen . »Demokratiefeindlich«, »erpresserisch« - mit solchen Attributen werden die Aktivisten der »Letzten Generation« (LG), die gerade angekündigt haben, Berlin unbegrenzt lahmzulegen, in der Regel von Politikern aus Bayern oder dem Bundesverkehrsministerium bedacht. Doch gestern war es der Stadtschülerrat, der sich in einer Pressekonferenz mit solch deutlichen Worten von den »Klimaklebern« distanzierte, die auch in Gießen schon mehrfach Straßen blockiert hatten.
Dabei waren es gerade Gießener Schüler, die als erste in der Stadt mit Protestaktionen auf das Problem des Klimawandels aufmerksam gemacht hatten. »Wir haben vor vier Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen, auf die ich heute noch stolz bin«, sagte Stadtschülersprecher Maximilian Stock.
Verantwortungslos
Er selbst hatte noch vor kurzem auf einer Demonstration von »Fridays for Future« (FFF) eine Rede gehalten. Umso mehr bedauere man im Stadtschülerrat, dass die Gießener FFF-Gruppe, der man sich nach wie vor verbunden fühle, im Gegensatz zu anderen FFF-Gruppen mit der »Letzten Generation« kooperiere.
Der Stadtschülerrat dagegen distanziert sich von der LG, weil deren Aktionen die breite Masse eher abschrecken als für eine nachhaltige Klimapolitik einnehmen würden. Auch lehne man ab, dass die LG gezielt und proaktiv in Gießener Schulen Nachwuchs für ihre Aktionen rekrutiere. Diese Aktionen würden den Beteiligten oft Strafverfahren einbringen und könnten massive Konsequenzen für die Schüler haben, die diese jetzt noch gar nicht in ihrer vollen Tragweite überblicken könnten. Das sei verantwortungslos.
»Schulen sind ein Ort, an dem die Spielregeln der Demokratie eingeübt werden sollen«, betonte Stadtverbindungslehrer Markus Hock von der Ostschule. Die LG sei dagegen nicht demokratisch, weil sie anstelle der parlamentarischen Repräsentanz und Entscheidungsfindung ein Rätesystem setze, in dem willkürlich ausgeloste Bürger von »Experten« beraten würden, ergänzte Stock. Er sei jedenfalls froh, dass Gießens Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher im Gegensatz zu seinem Marburger Kollegen Thomas Spies (beide SPD) der Erpressung durch die LG nicht nachgegeben habe. Diese hatten bei ihren Aktionen in den beiden Lahnstädten angekündigt, dass sie Marburg und Gießen künftig von weiteren Blockaden verschonen würden, wenn deren Oberbürgermeister sich schriftlich bei der Bundesregierung für die Ziele der »Letzten Generation« einsetzen würden.
Stock betonte, dass sich der Stadtschülerrat ausdrücklich nicht von »Fridays for Future« distanziere, vielmehr hoffe man, dass FFF die Zusammenarbeit mit der LG beende.
Land in der Pflicht
Zuvor hatte der Stadtschülerrat kritisiert, dass aufgrund der vom Regierungspräsidium verfügten Sparmaßnahmen im Haushalt, Projekte an Schulen auf Eis liegen würden. Konkret nannte Stock die Mensa der Herderschule, die Turnhalle des Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums und den neuen Werkstattbau der Theodor-Litt-Schule.
In der Pflicht sieht die Schülervertretung dabei weniger die Stadt, sondern die Landesregierung. Allein die Dichte von vier Berufsschulen in Gießen überfordere die Möglichkeiten der Stadt als finanziell verantwortlichem Schulträger. Das Land habe dagegen seit 2017 kein eigenes Förderprogramm mehr aufgelegt.
Linus Kolb forderte, dass das Schülerticket, das derzeit hessenweit gelte, deutschlandweit benutzt werden könne. Verbindungslehrer Hock ergänzte, dass das Jahresticket nur bis zur zehnten Klasse vom Land finanziert werde, ab der Oberstufe aber von den Schülern bezahlt werden müsse. Das führe dazu, dass in jeder Klasse ein bis zwei Schüler keine Klassenfahrten finanzieren könnten. Ein Deutschlandticket würde diese soziale Kluft schließen und auch die Organisation von Klassenfahrten oder Museumsbesuche außerhalb Hessens deutlich erleichtern.
Last but not least regte der Stadtschülerrat an, dem Gremium im städtischen Schulausschuss ein festes Rederecht einzuräumen, um die Anliegen der Gießener Schüler direkt den für diese verantwortlichen Kommunalpolitikern vortragen zu können.