Startschuss für »Großstadt-Projekt«

Büros und Hotelerweiterung: Im Aulweg in Gießen werden rund 60 Millionen Euro investiert
Gießen . Großstadt-Projekt. Dieser Begriff fiel an der Baustelle auf dem Heyligenstaedt-Areal am gestrigen Dienstag gleich mehrfach - auch wenn Gießen bekanntlich noch knapp 9000 Einwohner zum offiziellen Großstadt-Status fehlen. Auf rund 9000 Quadratmetern am Aulweg plant der heimische Unternehmer Wolfgang Lust einen neuen Gewerbekomplex mit Büros, Arztpraxen und einer Erweiterung des Hotels. Angesichts steigender Baukosten und Zinsen habe das Projekt »ein paarmal auf der Kippe« gestanden, betonte der Bauherr beim offiziellen Spatenstich. Für ihn als »One-Man-Show« sei das Projekt mit einem Investitionsvolumen von rund 60 Millionen Euro (brutto) »eigentlich überdimensioniert« und ein großes Risiko. Umso größer war die Freude, dass nach rund 2,5 Jahren Planungszeit nun die ersten Bagger rollen.
»Hochkomplexe« Tiefbauarbeiten
Bereits Anfang März haben die Arbeiten begonnen - unmittelbar nachdem die Baugenehmigung vorgelegen habe. Sieben Meter tief wird die Baugrube, die derzeit ausgehoben wird. Bislang habe man nur »Probleme mit Wasser von oben« gehabt, sagte der Bauherr mit Blick auf das verregnete Frühjahr. Auf Grundwasser sei man dagegen noch nicht gestoßen.
Tiefbau und Spezialtiefbau werden von den beiden Lahnauer Unternehmen Weimer GmbH und Kirchner Spezialtiefbau GmbH übernommen. Diese Arbeiten seien angesichts der vorhandenen Bebauung und der benachbarten Bahnstrecke »hochkomplex«, betonte Weimer-Geschäftsführer Martin Bender. Vorgespannte Anker stützen die immer größer werdende Baugrube und sorgen für ausreichend Stabilität.
Auch zwei weitere große Gewerke sind bereits vergeben: Den Rohbau, der voraussichtlich im August startet, übernimmt das Gießener Unternehmen Faber & Schnepp, den Hochbau in Holzbauweise der Wettenberger Kai Laumann. Dieser freut sich, dass der Bauherr trotz der zwischenzeitlich stark gestiegenen Holzpreise an der geplanten Bauweise festgehalten hat.
Er habe sich bewusst für Unternehmen aus der Region entschieden, sagte Wolfgang Lust. Neben dem Know-how sieht er noch einen weiteren Vorteil: »Die Geschwindigkeit zählt bei solchen Bauvorhaben. Da ist es gut, dass man sich schon kennt und die Handynummern schon ausgetauscht sind.«
Aus 40 Betten werden 120
Rund 500 Arbeitsplätze und etwa 6000 Quadratmeter Bürofläche sollen auf dem Areal entstehen. Auf rund 3000 Quadratmetern werden Arztpraxen sowie Physiotherapie und Yoga angesiedelt. Die zu vermietenden Flächen werden zwischen 100 und 900 Quadratmeter groß sein. Im Vergleich zu Standardbürobauten seien die Mietnebenkosten um 50 Prozent geringer. Das Hotel und Restaurant Heyligenstaedt wird von 40 auf 120 Betten vergrößert, außerdem sind zusätzliche Veranstaltungs- und Seminarräume vorgesehen. Auch ein Spa-Bereich mit Wasser, offenem Feuer und drei Saunen ist geplant. Eine Tiefgarage soll Platz für 220 Autos bieten.
Während für die Ausführung regionale Unternehmen beauftragt wurden, ging es beim Architektenwettbewerb international zu. Gewonnen hat das norwegische Architekturbüro Snøhetta, dessen Entwurf für mehr Grün in der Stadt sorgen soll. Für die Umsetzung der Planung vor Ort wurde das Gießener Architektenbüro »studioaw.« ins Boot geholt.
»Vorbildhaft« sei der ökologische Gedanke bei der Planung, lobte Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD). »Für das Quartier ist das eine großartige Entwicklung.« Auch die Erweiterung der Hotelkapazität sei gut für Gießen.
Das neue Stadtquartier werde »architektonisch sehr ansprechend«, befand Ann-Katrin Lieblang (Geschäftsführung Faber & Schnepp) und sprach von einem »außergewöhnlichen« Projekt mit »großer Bedeutung für die Stadt«. Bis der neue Gewerbekomplex am Aulweg fertig ist, wird es aber noch einige Zeit dauern: Die Fertigstellung ist für Ende 2024 geplant.