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Studierende helfen Kriegsflüchtlingen

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Die studentische Initiative Bruks demonstriert mit den weiß-blau-weißen Fahnen der russischen Anti-Kriegs-Proteste. Die Studierenden helfen ukrainischen Geflüchteten in der Region. Foto: Alicia Chelini © Alicia Chelini

Rund 50 Marburger Studierende engagieren sich als Dolmetscher für ukrainische Geflüchtete und betreuen einen Hilfechat. Dafür erhielten sie den ersten Preis im Marburger Integrationswettbewerb.

Marburg . Sie wollten handeln angesichts des Leidens in der Ukraine: Rund 50 Marburger Studierende engagieren sich als Dolmetscher für ukrainische Geflüchtete und betreuen einen Hilfechat. Dafür haben sie den ersten Preis im Marburger Integrationswettbewerb »Move it« bekommen. Das Preisgeld von 600 Euro wird nun in Veranstaltungen fließen.

Die meisten der beteiligten Studierenden kommen aus Russland. Dennoch oder gerade deshalb ist ihnen die Hilfe für die Ukraine eine Herzensangelegenheit: »Wir wollten etwas tun, weil dieser Krieg schrecklich und unerträglich ist«, sagt Gründungsmitglied Katja Golovanova. Am 6. April 2022 - nur wenige Wochen nach dem Überfall auf die Ukraine - wurde die studentische Initiative Bruks gegründet. Dahinter stehen belarussische, russische, ukrainische und kasachische Studierende, die den Kriegsflüchtlingen ehrenamtlich helfen.

Sie starteten mit einem Newsletter und dem sogenannten Bruks-Chat, eine Telegram-Gruppe, die inzwischen rund 800 Mitglieder hat. Damit sind fast alle Familien von ukrainischen Geflüchteten in der Region erfasst, schätzt Katja Golovanova. Dort können sich die Ukrainer austauschen und Fragen zum Leben in Deutschland stellen.

Demonstrationen organisiert

Noch im April 2022 organisierten sie eine Demonstration gegen den Angriffskrieg, eine weitere im Juli. Und am 25. Februar, also ein Jahr nach Beginn des Krieges, gingen sie wieder auf die Straße - mit den Fahnen der Ukraine und den weiß-blau-weißen Flaggen der russischen Anti-Kriegs-Proteste. Golovanova ist davon überzeugt, dass in ihrer Heimat vor allem die Jüngeren gegen den Krieg sind. In der Hochschulgruppe wünschen sich ohnehin alle, dass sich die russischen Truppen zurückziehen. Im Chat sind politische Diskussionen aber eher selten. Das Hauptproblem der Geflüchteten seien mangelnde Deutschkenntnisse, erzählt die Studentin: »Da sind wir eine Art Vermittler zwischen Ukrainern, Stadt, Uni, Behörden und Ärzten.«

Bruks hat deshalb einen kostenlosen Dolmetscher-Dienst aufgebaut. So ist Anna K. jede Woche mehrfach bei Behörden und Ärzten, um für Geflüchtete zu übersetzen. Die 21-jährige Chemiestudentin kam vor drei Jahren aus Moskau nach Marburg. Nach dem Überfall auf die Ukraine wollte sie nicht in ihrem Schock verharren: »Die Nationalitäten spielen beim Helfen keine Rolle«, sagt die Russin, die auch regelmäßig bei der Sprechstunde im Kerner an der Lutherischen Pfarrkirche dabei ist. Hier unterstützt sie zum Beispiel Geflüchtete, die Probleme mit ihrem Handy-Anbieter haben, ihren Mietvertrag nicht verstehen oder einen Stadtpass beantragen wollen. »Die Studenten haben mir immer geholfen«, erzählt Nataliia Kostylova, die im März mit ihren Kindern nach Deutschland kam und von vielen wichtigen Informationen im Chat berichtet. Sie freut sich aber auch über das einfühlsame Engagement der Studierenden: »Bruks hat eine Seele«, formuliert sie.

Begegnungstreffen

Gemeinsam mit der evangelischen Familienbildungsstätte unterstützt die studentische Initiative das Café Kunterbunt im Kerner, das montags und donnerstags ab 17 Uhr zu Begegnungen einlädt. Es richtet sich vor allem an Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Golovanova organisiert deshalb auch Ausflüge zur Kletterhalle und zum Tretbootfahren. Es werden Schneemänner gebastelt, Lebkuchen gebacken und Partys gefeiert.

Die Studentin ist schon 2019 ausgewandert, weil sie in »so einer Gesellschaft« nicht mehr leben wollte. Seitdem war sie nicht mehr bei ihrer Familie. Ob sie ihre Eltern je wiedersehen wird, weiß sie nicht. Es helfen aber auch Marburg-Neulinge wie die 19-jährige Sascha M., die erst seit Ende September von Moskau nach Marburg zog. »Für eine Person aus Russland ist Bruks ein Muss«, sagt die Studentin, die nun jede Woche dolmetscht.

Weitere Informationen: https://bruks-marburg.de/.

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