Teils nur wenig Platz für Kreiskinder

Die Stadt Gießen informiert auf Anfrage der CDU-Fraktion über die erwartete Entwicklung von Schülerzahlen in den nächsten fünf Jahren. Wo stehen die Chancen, aufgenommen zu werden, am besten?
Gießen. Alljährlich im Herbst rühren die Gießener Schulen kräftig die Werbetrommel mit Infoabenden und Schnuppertagen. Denn es gilt, vor allem die Eltern der Viertklässler - und natürlich die Kinder selbst - von den eigenen Vorzügen zu überzeugen, damit die schulische Laufbahn an der jeweiligen Einrichtung fortgesetzt wird. Dabei haben seit eh und je die in der Stadt lebenden Mädchen und Jungen Vorrang vor den Schülern aus dem Landkreis. Sie sind also zuerst unterzubringen, sofern es mehr Bewerbungen als freie Plätze gibt. Das führte in der Vergangenheit häufiger dazu, dass Kinder aus dem Kreisgebiet abgelehnt werden mussten. Zuletzt kamen von dort bereits etwas weniger Anmeldungen. Kathrin Schmidt von der CDU-Fraktion wollte nun unlängst in einer Parlamentsanfrage wissen, welche Schülerzahlen in den nächsten fünf Jahren prognostiziert werden, ob die Aufnahme aus dem Landkreis gewährleistet werden kann und inwieweit mit Kapazitätsproblemen zu rechnen sei. Antworten lieferte Schuldezernentin Astrid Eibelshäuser.
Keine weiterführende Schule in Gießen ist bei angehenden Fünftklässlern in den vergangenen Jahren so begehrt gewesen wie die GGO. Maximal 135 Schüler können in fünf Klassen aufgenommen werden, bis zum Frühjahr 2022 hatten sich allerdings 186 Mädchen und Jungen mit Erstwunsch für die Integrierte Gesamtschule (IGS) entschieden - im Jahr zuvor waren es 227, der bisherige Spitzenwert. Daher überrascht es nicht, wenn Eibelshäuser erklärt, dass angesichts der »hohen Nachfrage« aus der Stadt für die Sekundarstufe I der Gesamtschulen »an einzelnen Schulen keine oder nur wenige Plätze für Schüler mit Wohnsitz außerhalb der Universitätsstadt Gießen vorhanden sind«. Dies treffe insbesondere auf die integrierten Gesamtschulen zu: Neben der GGO ist das noch die Brüder-Grimm-Schule in Kleinlinden. Vervollständigt wird diese Schulform durch die Kooperativen Gesamtschulen, Ricarda-Huch- und Friedrich-Ebert-Schule. Alle vier Einrichtungen zusammen betreuten im letzten Schuljahr 3749 Kinder und Jugendliche.
Keine Einschränkungen werden dagegen in der Oberstufe erwartet. Für die Sekundarstufe II, so die Stadträtin, werde »das Angebot im Bereich der studienqualifizierenden Bildungsgänge an den Gesamtschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulen auch in den nächsten fünf Jahren auskömmlich für alle Bewerber aus dem Landkreis Gießen sein«.
An den drei etwa gleich großen Gymnasien (Liebigschule, Herderschule und Landgraf-Ludwigs-Gymnasium), an denen im Jahrgang 5 je 150 Plätze zu vergeben sind, waren bislang die Chancen, berücksichtigt zu werden, gar nicht schlecht. Aktuell wohnen 62 Prozent der Schüler nicht in Gießen, ist der Antwort von Astrid Eibelshäuser zu entnehmen. Die Gesamtschülerzahl liegt zurzeit bei knapp 3700. Zwar steige der Anteil der Kinder und Jugendlichen aus der Stadt, die eines der drei Gymnasien besuchen möchten. Dennoch könnten zukünftig noch »in relevantem Umfang« Schüler aufgenommen werden, die nicht aus Gießen kommen.
Grundsätzlich müssten schulbezogene Prognosen ab Klasse 5 »relativ unpräzise bleiben«. Diese basierten nämlich, zumal dann keine Aufteilung mehr nach Schulbezirken erfolgt, »in erster Linie auf schulorganisatorischen Vorgaben, Erfahrungswerten und den Einschätzungen der demografischen Entwicklung«. Zumindest sei nicht vorgesehen, an der im Schulentwicklungsplan festgelegten Zügigkeit etwas zu ändern. »Wir gehen davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren die Zügigkeit [...] an den meisten Standorten maximal ausgeschöpft werden wird«, teilt Eibelshäuser mit.
»Nur bedingt möglich« seien ebenso Prognosen für die Beruflichen Schulen, weil die Zahl der Schüler einerseits von der Ausbildungsquote der Betriebe und andererseits vom Wahlverhalten der jungen Leute abhänge. An Wirtschaftsschule am Oswaldsgarten, Theodor-Litt-Schule, Max-Weber-Schule und Aliceschule, wo sich die Zahlen »relativ stabil« bei circa 6000 Schülern bewegten, werde - mit Ausnahmen - weiterhin von »ausreichend Plätzen« ausgegangen. Mit Blick auf die Förderschulen verweist Astrid Eibelshäuser auf Absprachen mit dem Landkreis Gießen: So können Schüler mit dem Förderschwerpunkt »Sprachliche Entwicklung« unabhängig vom Wohnort an der Helmut-von-Bracken-Schule angemeldet werden, beim Schwerpunkt »Lernen« haben nur Mädchen und Jungen aus der Teilregion West diese Option. Ist eine Förderung in den Bereichen »emotional-soziale Entwicklung« oder »körperlich-motorische Entwicklung« erforderlich, sei die Aufnahme auf Gießener Schüler beschränkt.
Zum Raumbedarf informiert die Schuldezernentin, dass gegenwärtig vor allem durch die Bildung sogenannter Intensivklassen sowie das InteA-Programm (»Integration durch Abschluss«) für zugewanderte Kinder und Jugendliche Engpässe entstehen können. In Zukunft würden zusätzliche räumliche Kapazitäten aber weniger wegen »Klassenmehrbildungen« benötigt. Eine bedeutsamere Rolle spielten vielmehr Planungen für eine Ganztagsentwicklung mit Angeboten unter anderem für Bewegung und selbstorganisiertes Lernen. Um dem Fachkräftemangel in den Kindertagesstätten zu begegnen, müsse ferner eine Erweiterung an der Fachschule für Sozialpädagogik der Aliceschule angestrebt werden.