Tief ins eigene Fleisch schneiden
Damit das Regierungspräsidum Gießens Haushalt genehmigt, müssen jetzt 13 Millionen Euro eingespart werden
Gießen . Pünktlich vor der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am gestrigen Abend stellte Gießens Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) seine Liste des Grauens der Öffentlichkeit vor. Um die vom Regierungspräsidium Gießen (RP) als Voraussetzung für einen genehmigungsfähigen Haushalt geforderten 13 Millionen Euro einzusparen, hat der Magistrat bei knapp 40 Etatposten den Rotstift angesetzt.
Die vier dicksten Brocken sind dabei der Umbau der Kongresshalle, bei der der gesamte Etatposten von einer Million Euro für 2023 einen Sperrvermerk erhalten soll, das Projekt Soziale Stadt/Zusammenhalt Rotklinkersiedlung, für das die Ausgaben um rund zwei Drittel auf jetzt noch rund 770 000 Euro zusammengestrichen werden, die Sanierung der Ganztagsgrundschule Gießen West, für die in diesem Jahr nur noch 2,5 Millionen Euro freigegeben werden sollen und die Anschaffung von Raumluftfilteranlagen für öffentliche Liegenschaften wie etwa Schulen, für die der Etatposten von zwei Millionen Euro ersatzlos gestrichen werden soll.
Prioritäten
Nun mögen Raumluftfilter mit dem Abklingen der Corona-Pandemie nicht mehr die höchste Priorität haben und der Umbau der Kongresshalle dürfte sich nach dem Fund der Grundmauern der Neuen Synagoge ohnehin verschieben, bis man sich geeinigt hat, wie man angemessen mit den Überresten des von den Nazis zerstörten jüdischen Gotteshauses umgehen will. Aber das zeitliche Strecken der Grundschulsanierung Gießen West und des Projekts Rotklinkersiedlung, »die tun schon weh«, sagte Wright in der gestern Mittag anberaumten Pressekonferenz.
Das gilt auch für die Sanierung der Sporthalle in Lützellinden, die Restaurierung der Basilika auf dem Schiffenberg, die Sanierung und Erweiterung der Alicenschule, den Aula-Neubau an der Herderschule, die Erweiterung der Kita Krofdorfer Straße und den sommerlichen Wärmeschutz am städtischen Gebäuden wie Kitas. Alle Haushaltsansätze für diese Projekte sollen im kommenden Jahr auf Null gestellt werden, um die Auflagen des RP zu erfüllen.
Gestrichen werden sollen auch Mittel für den Straßenbau in der Wilhelm-Leuschner-Straße und für die ökologische Aufwertung des Schwanenteichs. Deutlich reduziert sollen zudem die Ausgaben für die Neugestaltung von Spielplätzen, die grundhafte Erneuerung der Bismarckstraße und der Straßen in der Anneröder Siedlung, die Neubauten des Gemeinschaftsgebäudes am Eulenkopf und eines Werkstattgebäudes an der Theodor-Litt-Schule oder die Erweiterung der Gesamtschule Gießen-Ost.
Vom Investitionsprogramm »Soziale Stadt« soll 2023 weniger als ein Viertel der ursprünglich eingeplanten Mittel freigegeben werden und auch bei der Feuerwehr und bei der Hard- und Software für Schulen will der Magistrat deutlich sparen.
Nicht nur der Umfang der Sparmaßnahmen sondern auch deren kurzfristige Vorstellung dürfte bei so manchem Stadtverordneten für Unmut sorgen. Wright nimmt etwaige Kritik bereits vorweg und betont, dass eine schnelle Entscheidung über diese Sperrvermerke die Neufassung des Etats für 2023 vermeide. Ein neuer Haushalt würde letztlich aber zu weiteren Verzögerungen bei der Mittelvergabe führen.
Weniger ins Gewicht fallen dürfte dagegen für die Bürger die vom RP verlangte Deckelung der Personalkosten (unter Einrechnung des ins Haus stehenden Tarifabschlusses) auf 76 Millionen Euro, weil die Stadt bereits jetzt aufgrund des Fachkräftemangels 114 offene Stellen nicht besetzen kann.
Wright weiß, dass die von ihm vorgestellten Einschnitte tief ins Fleisch gehen, doch führe an der vom RP geforderten Reduzierung des Ausgaben kein Weg vorbei, sonst drohe den Bürgern nämlich noch mehr Ungemach. Im Haushaltssicherungskonzept der Stadt wird eine Anhebung der Grundsteuer B von 600 auf 910 Prozentpunkte vorgeschlagen. Das müsse aber nicht so kommen, wenn die Stadt bis dahin ihr Defizit reduziere, betonte der Bürgermeister. »Wir haben das selbst in der Hand.«
Aber dafür dürfte der Spagat zwischen notwendigen Ausgaben und ebenso notwendigen Einsparungen wohl noch schwieriger werden.