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Tiefer in die Tasche greifen

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Das Parken in der Innenstadt wird teurer, was nicht überall auf Gegenliebe stößt. Foto: Scholz © Scholz

Das Parken wird teurer in Gießen. Das stößt nicht überall auf Gegenliebe und sorgt für teils heftige Kritik.

Gießen. Die Stadt verändert sich für den motorisierten Individualverkehr. Und das sorgt für Konflikte. Aktuelles Beispiel: Wer parken will, muss tiefer in die Tasche greifen - und länger. »Es passt sinnbildlich in die grüne Stadtpolitik: radikale Maßnahmen Hals über Kopf beschließen und dies einseitig zulasten der nach Corona gebeutelten Innenstadt. So wird die Innenstadt immer unattraktiver. Das ist von Bürgermeister Alexander Wright scheinbar so gewollt«, kritisiert Fraktionsvorsitzender Klaus Peter Möller von der CDU. Die heimische Ortsgruppe von »Fridays for Future« ist dagegen der Auffassung, dass »durch die Herstellung einer Kostenwahrheit« die Lebensqualität steigt. Die Gruppe hat die Hoffnung, dass »die Parksuchverkehre gerade im Innenstadtbereich abnehmen und langfristig die Notwendigkeit der Parkplätze ganz wegfällt. Dies bietet Raum für Entsieglung, Begrünung und damit auch für Klimaanpassungen.«

Bis 22 Uhr und an Sonntagen

Dass das Parken in der Stadt teurer wird, ist seit vergangenem Sommer klar. Nicht aber, dass in der Innenstadt nun bis 22 Uhr und auch sonntags gezahlt werden muss. »Zwar hat die Linkskoalition im letzten Jahr beschlossen, dass die Parkgebühren erhöht werden, aber die Parkgebührenordnung wurde hinsichtlich der Zeiten nicht konkretisiert, sodass wir uns sehr wundern, wie und aus welchen Gründen der grüne Bürgermeister Wright nun auch noch die Zeiten massiv ausweitet. Hiervon hatten wir bisher keine Kenntnis und sind erst selbst in Gesprächen mit anliegenden Restaurants, Geschäften und Parkenden darauf aufmerksam geworden«, moniert CDU-Stadtverbandsvorsitzender Frederik Bouffier. Die CDU frage, nach »welchen Kriterien, nach welchen Maßstäben und auf welcher Rechtsgrundlage die massive Ausweitung der parkgebührenpflichtigen Zeiten in Gießen stattgefunden hat und zu welchem Datum die Ausweitung in Kraft getreten ist«, ergänzt Kathrin Schmidt, stellvertretende Fraktions- und Stadtverbandsvorsitzende.

Dass Gastronomen die Veränderungen kritisch sehen, bestätigt Axel Horn. »Die neue Uhrzeit ist ein großes Problem. Für die Mitarbeiter bedeutet sie eine hohe Belastung durch Parkgebühren«, erläutert der Vorsitzende des Kreisverbandes »Gießen-Gleiberger Land« des Dehoga Mittelhessen. Man habe ohnehin schon Personalmangel. Die gestiegenen Gebühren - drei Euro kostet die Stunde nun innerhalb des Anlagenrings - wirke sich negativ auf die Gastronomie aus. Dabei seien die Betriebe wichtig für die Innenstadt.

Ein Problem für die Mitarbeiter sieht auch Andreas Schaub, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Die gestiegenen Preise seien »eine Katastrophe für die Kollegen im Schichtdienst. Die Kosten haben sich verdoppelt.« Zwar verfügten Mitarbeiter über das Jobticket. Aber zu den Dienstzeiten gebe es häufig keine geeigneten Verbindungen. »Wir haben keine Zahlen dazu, wie viele unserer Mitarbeitenden den öffentlichen Parkraum rund um das Klinikum in Anspruch nehmen und können auch nicht bewerten, wie gravierend die Konsequenzen einer Gebührenerhöhung im Einzelfall sind«, berichtet UKGM-Pressesprecherin Christine Bode.

Kostenfreier ÖPNV und Job-Rad

Fakt sei, dass die Parksituation am Gießener Standort seit Jahren angespannt ist, da »wir auf unserem Campus nicht allen Beschäftigten einen Parkplatz anbieten können«. Um die begrenzte Zahl von Plätzen möglichst gerecht zu verteilen, hätten Geschäftsführung und Betriebsrat vor Jahren eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen und eine Kommission eingerichtet. Auch Bode verweist auf das kostenfreie Jobticket zur Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Zudem hätten Mitarbeiter die Möglichkeit, sich zu günstigen Konditionen ein Job-Rad zu kaufen.

Die Ausweitung der Parkgebühren trage sicherlich zur Reduzierung des Pkw-Verkehrs bei, meint »Fridays for Future«. Jedoch dürfe es »nicht allein bei der Gebührenerhöhung bleiben. Damit die Verlagerung auf andere Verkehrsträger tatsächlich erfolgreich ist, muss die Stadt das Angebot anderer Verkehrsmittel dringend verbessern. Genannt sei hier der überfällige Beginn des Verkehrsversuchs auf dem Anlagenring sowie die im Nahverkehrsplan vorgesehene Steigerung der Leistung des Gießener Nahverkehrs um mehr als 50 Prozent.« Von den Hochschulen und anderen Einrichtungen verlangt die Gruppe, ihren Parkraum nicht mehr kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Auch solle die Stadt die Gebühren für das Anwohnerparken auszuweiten.

Ziel der Parkraumbewirtschaftung sei es, Parksuchverkehr und Parkdruck zu reduzieren, begegnet Wright der Kritik, insbesondere der CDU. Hohen Druck und Konkurrenz um die Parkplätze bis 22 Uhr habe man durch Rückmeldungen von Anwohnern und Beobachtungen der Straßenverkehrsbehörde festgestellt, nennt der Bürgermeister Gründe für die zeitliche Ausweitung. Geregelt sei sie im Straßenverkehrsrecht. Eine Zustimmung der Stadtverordneten sei nicht notwendig. »Die Stadt Gießen verfolgt das Ziel, mehr Raum für alle Menschen, bessere Luft und eine leisere Stadt zu schaffen, in der Leben und Arbeiten, Studieren und Einkaufen Freude machen und Lebensqualität bringen«, resümiert Wright zu den Parkgebühren.

Bei den Nachbarn in Wetzlar und Marburg liegt der jeweils höchste Satz übrigens bei zwei Euro pro Stunde. In Wetzlar fallen die Gebühren montags bis samstags von 9 bis 18 Uhr an. In Marburg wird montags bis samstags in einem Gesamtrahmen zwischen 7 Uhr bis 22 Uhr nach unterschiedlichen Zonen differenziert.

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