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Unterm Pflaster liegt das Gras

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Von: Ingo Berghöfer

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Lob für den »Vorbildcharakter« des Projekts: Umweltdezernentin Gerda Weigel-Greilich (links) stellt zusammen mit Landschaftsarchitekt Ule Ruhland (Mitte), Marion Lorengel vom Amt für Umwelt und Natur (sitzend) und weiteren Mitarbeitern die Renaturierung eines Innenhofs in der Walltorstraße vor. Fotos: Berghöfer © Berghöfer

Flächenentsiegelung in der Walltorstraße beschert Anwohnern mehr Grün, ohne dass Parkplätze verschwinden.

Gießen . Mit großem Aufgebot präsentierten Vertreter gleich mehrerer Stadtämter, ein Landschaftsarchitekt und Umweltdezernentin Gerda Weigel-Greilich in einem Innenhof in der Walltorstraße ein kleines grünes Quadrat. Eingerahmt von vier Bäumen wächst und blüht es dort, wo vor einigen Wochen noch vier Autos auf Asphalt standen, in allen Farben.

Im Rahmen des Förderprogramms »Grüne Mitte Gießen« sind in dem Innenhof auch noch etliche weitere kleine Flächen entsiegelt worden. Weil von den bislang rund 30 Interessenten nicht zuletzt auch wegen der hohen Inflation einige wieder abgesprungen sind, will die Umweltdezernentin noch einmal die Werbetrommel für das noch bis 2027 laufende Förderprogramm rühren.

Und dieses Programm ist auch durchaus attraktiv. Bis zu 70 Prozent der anfallenden Kosten und bis zu einer Obergrenze von 10 000 Euro übernimmt die Stadt die Kosten, wenn sich ein Grundstückseigentümer in der Innenstadt entschließt, Teile seiner asphaltierten Fläche zu renaturieren. Dabei wird er von Landschaftsarchitekten beraten, die ein Konzept für den jeweiligen Standort erstellen und auch bei der Auswahl der Pflanzen helfen.

»Deutliche Verbesserung«

In der Walltorstraße wurde nicht nur ein Karree in der Hofmitte von Asphalt und dem darunterliegenden Beton befreit, sondern auch noch weitere kleinere Bereiche mit Beeten und Staudengrün bepflanzt. Von circa 1000 Quadratmetern Innenhoffläche wurde etwa ein Drittel entsiegelt und begrünt. Weil es sich hier um zwei benachbarte Grundstücke handelt, unterstützte die Stadt die Renaturierung mit rund 15 300 Euro. Dabei ist übrigens kein einziger Pkw-Stellplatz weggefallen. Die Parkplätze sind jetzt nur sinniger verteilt.

»Das ist schon eine deutliche Verbesserung zu früher«, lobt ein Anwohner, den die Menschengruppe im Hof aus der Wohnung gelockt hat. Das Einparken sei am Anfang noch ungewohnt gewesen, aber daran habe er sich mittlerweile gewöhnt. »Groß rangieren muss man hier nicht. Es ist immer noch genug Platz«, meint der 26-Jährige.

Dafür kann er sich jetzt an einer Felsenbirke, einem Eisenbaum, einem Blasenbaum und einer Blumenesche erfreuen, die in einigen Jahren im Hof Schatten spenden werden. Zwölf rundum drapierte Baumstümpfe laden schon heute zum Verweilen in der kleinen grünen Oase ein, die so nebenbei auch die Biodiversität in der Stadtmitte verbessert.

Allein durch die Wasserverdunstung dürften die Pflanzen in künftigen Hitzeperioden die Temperatur im Hof senken, schätzt Ule Ruhland vom Büro Sommerlad-Haase-Kuli, das die rund einen Monat dauernden Arbeiten geplant hat. Bis zu einem Meter Tiefe musste dabei das freigelegte Erdreich aufgelockert werden, um die Bäume pflanzen zu können. Die nächsten beiden Jahre werden die noch regelmäßig gegossen. Später aber werden sie - Stichwort: Schwammstadt - ihren Beitrag zum Hochwasserschutz leisten. Nicht von ungefähr ist der kleine Naturgarten auch der tiefste Punkt im Hinterhof. Dort, wo früher tagelang eine große Pfütze gestanden habe, versickere der Regen jetzt im Erdreich, sagt Ruhland. Zudem trügen die neuen Bäume auch als lebende Feinstaubfilter zur Optimierung der innerstädtischen Luftqualität bei.

Gerade weil solche Verbesserungen der Wohnqualität möglich sind, ohne dass dafür ein Parkplatz für die Anwohner wegfällt, hofft Marion Lorengel vom Amt für Umwelt und Natur auf einen »Aha-Effekt« bei anderen privaten Eigentümern in der Innenstadt. Auch Gerda Weigel-Greilich lobt den Vorbildcharakter dieses Projektes.

Hausbesitzer, die jetzt auf den Geschmack gekommen sind, finden weitere Informationen im Internet unter: www.giessen.de/gruenemittegiessen.

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Hier hat das Auto ausgedient. Weil diese beiden Garagen ohnehin nur noch als Lagerräume genutzt werden, wächst nach der Renaturierung bereits Gras über die alte Einfahrt. © Ingo Berghöfer

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