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Urteil zu »In der Roos« akzeptiert

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Von: Benjamin Lemper

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»In der Roos« werden keine Bauplätze entstehen. Gibt es Alternativen? Foto: Schäfer © Schäfer

Die Stadt Gießen verzichtet auf eine Beschwerde und sieht zugleich keinen »akuten Umsetzungsdruck« für ein alternatives Baugebiet in Rödgen. Zumal eine Siedlungsentwicklung immer schwieriger werde.

Gießen. Rödgens Ortsvorsteherin Elke Victor schwante nichts Gutes, als der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) Anfang November den Bebauungsplan »In der Roos« für unwirksam erklärte. »Das Urteil bedeutet für mich, dass nach über 50 Jahren Warten auf die Genehmigung eines Neubaugebietes« abermals ein »jahrzehntelanger Stillstand« drohe, kommentierte die Freie Wählerin die Entscheidung der Kasseler Juristen. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht war gar nicht erst zugelassen worden. Und inzwischen ist klar, dass die Stadt Gießen auch auf die Möglichkeit verzichtet hat, dagegen Beschwerde einzulegen.

»Insbesondere wegen der hohen juristischen Hürden« sei von weiteren Schritten abgesehen worden, sagt Stadtsprecherin Claudia Boje auf Anfrage des Anzeigers. Die Rechtsmittelfrist war am 24. Dezember abgelaufen, im Januar ist die Planunwirksamkeit nun amtlich bekanntgemacht worden.

Eigentlich sollten in dem circa 2,8 Hektar umfassenden innerdörflichen Gebiet 32 Bauplätze für Einzel- und Doppelhaushälften entstehen - auch, weil es die Befürchtung gibt, der Stadtteil könne infrastrukturell immer mehr abgehängt werden. Doch trotz des Bemühens um einen Kompromiss mit einer abgespeckten Variante verstummte der Protest nicht. Der landwirtschaftliche Familienbetrieb Becker/Werthmann klagte schließlich - mit Erfolg. Denn der 3. Senat des VGH kam zu dem Ergebnis, dass »ausweislich der Planung [...] der Lebensraum der Ameisenbläulinge durch den Eingriff komplett zerstört« werde. Zudem lasse sich »eine Tötung der Tiere während der Bauarbeiten« nicht ausschließen. Der Schmetterling ist streng geschützt, Initiativen und Naturschutzverbände kritisierten wiederholt, die Population sei durch die Umsiedlung auf die als »Ersatzlebensraum« ihrer Meinung nach nicht geeigneten »Krebswiesen« gefährdet worden respektive zurückgegangen.

Da die schriftliche Urteilsbegründung damals noch nicht vorlag, hielt sich der Magistrat mit einer finalen Bewertung zunächst zurück. Jetzt scheinen zumindest die Pläne für »In der Roos« erledigt zu sein. Alternativen sind vorerst nicht in Sicht. Die mittel- bis langfristige Siedlungsentwicklung in Rödgen werde jedenfalls »aufgrund der zunehmenden ökologischen und artenschutzrechtlichen Einschränkungen immer schwieriger«, betont Claudia Boje. Vordringlich sei es, »nach allen entsprechenden gesetzlichen Grundlagen die Innenentwicklung vor einer weiteren Außenentwicklung zu betreiben« - so, wie dies in den vergangenen 15 Jahren in Gießen sehr stark realisiert und auch für Rödgen mit Priorität verfolgt worden sei.

Gleichzeitig weist Boje darauf hin, dass aktuell für keine weitere geplante Wohnbaufläche im Stadtteil Planungsrecht bestehe. »Es ist auch nicht kurzfristig herstellbar. Vor neuen Siedlungsflächenerweiterungsplanungen sind umfangreiche ökologische und Artenschutzuntersuchungen erforderlich. Ferner wird eine vergleichende Alternativenprüfung zur Festlegung des ökologisch unsensibelsten Bereiches durchgeführt werden müssen«, ergänzt die Sprecherin. In Anbetracht der gegenwärtigen Zurückhaltung von vielen Wohnungsbauinteressierten und der schwierigen Rahmenbedingungen sieht man im Rathaus allerdings »keinen akuten Umsetzungsdruck«.

Der Rödgener Ortsbeirat werde sich in seiner Sitzung am 14. Februar mit dem Thema befassen, kündigt Elke Victor gegenüber dieser Zeitung an. Bisher habe noch keine Beratung der in dem Gremium vertretenen Fraktionen stattgefunden. Im November hatte die Ortsvorsteherin betont, dass es angesichts des Wohnungsnotstandes und vor dem Hintergrund neu geschaffener Arbeitsplätze im benachbarten Gebiet »Am alten Flughafen« wichtig sei, ein neues Baugebiet zu erhalten. Als einzige Chance bleibe dafür nur eine Fläche mit Entwicklungspotenzial - und zwar hinter dem »Steinacker« in Richtung Canon. Alle anderen außenliegenden Bereiche seien durch naturschutzrechtliche Belange nicht bebauungsfähig. »Bislang hat sich die Regierung in der Stadt Gießen jedoch nicht dazu bewegen lassen, dass sich Rödgen außerhalb der derzeitigen Bebauungsgrenzen ausweiten darf.«

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