Vegan muss nicht teuer sein

Pflanzlich statt tierisch: Aktuelle Studie aus Biebertal widerlegt gängiges Vorurteil
Gießen . Fleischersatz, Milch aus Mandeln oder Käse aus Cashewkernen - eine vegane Ernährung gilt oft als teuer. Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE) jedoch zeigt: Wer sich rein pflanzlich ernährt, kann Geld sparen und muss trotzdem nicht auf sein Leibgericht verzichten. Für die Studie wurden 20 beliebte fleischbasierte beziehungsweise omnivore Gerichte veganisiert, darunter Salami-Pizza, Spaghetti Bolognese, Schnitzel und Hühnerfrikassee. »Die veganen Gerichte waren mit Ausnahmen im Durchschnitt zehn Prozent günstiger, wenn konventionelle Zutaten verwendet wurden«, sagt Instituts-Gründer Dr. Markus Keller, der im Fach Ökotrophologie an der Justus-Liebig-Universität promoviert hat. Bei Bio-Zutaten habe die Ersparnis sogar mehr als 30 Prozent betragen. Etwas anders war die Situation beim Fisch: Hier war der konventionelle »echte« Fisch günstiger, in der Bio-Variante schnitt dagegen die vegane Version preisgünstiger ab.
Preise der Zutaten verglichen
Um zu berechnen, wie tief man für die einzelnen Gerichte in die Tasche greifen muss, haben die Autoren der Studie zunächst die Preise der einzelnen Zutaten - sowohl konventionell wie auch biologisch erzeugt - in Supermärkten und online erhoben. Gab es im Sortiment mehrere gleichwertige Produkte, wurde der jeweils niedrigste und höchste Kilo-Preis ermittelt. Bei der Auswahl der Gerichte wurde zudem darauf geachtet, »dass beide Varianten eines Gerichtes in etwa dieselben Gesamt-Lebensmittelmengen beinhalten«. Auch die Nährwertgehalte wurden verglichen.
»Bei manchen Gerichten haben wir zwei vegane Alternativen betrachtet. Sowohl ein Fertigprodukt als auch ein Rezept, das noch selbst zubereitet werden muss«, erläutert Keller. »Bei Spaghetti Bolognese etwa wurde statt Hackfleisch Sojagranulat oder bereits fertiges veganes Hack verwendet.« Das Ergebnis: Wer es vegan und bequem haben möchte, zahlt für die Nudeln mit fertigem veganen Hack mit 3,05 Euro pro Portion deutlich mehr als für Spaghetti Bolognese mit konventionellem Hackfleisch (1,92 Euro). Wer aber etwas mehr Zeit in der Küche zubringt und trockenes Sojagranulat verwendet, das zunächst eingeweicht werden muss, der zahlt pro Portion lediglich 1,42 Euro für sein veganes Hauptgericht. Im Bio-Vergleich sind sogar beide veganen Versionen günstiger.
Wieso entsteht dennoch so häufig der Eindruck, dass vegan zugleich teuer bedeutet? Für den Ernährungswissenschaftler Keller liegt das auch daran, dass vegane Alternativen zumeist mit Billigfleisch verglichen würden. »Dann sind die veganen Produkte, insbesondere wenn es Bio-Qualität ist, oftmals teurer. Das ist natürlich ein sehr kurzsichtiger Vergleich.« Hinzu komme eine steuerliche Ungleichheit: Da Kuhmilch als Grundnahrungsmittel eingestuft wird, fallen für Milch und Milchprodukte sieben Prozent Mehrwertsteuer an. Für Pflanzendrinks - also beispielsweise Soja-, Mandel- oder Hafermilch - werden dagegen 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig.
Wer aber vor allem frische, pflanzliche Lebensmittel verwende, möglichst auch saisonal, müsse überhaupt keine Mehrkosten fürchten. »Hülsenfrüchte beispielsweise als Proteinquelle sind im Vergleich zu vielen anderen Lebensmittelgruppen sehr preisgünstig, außerdem nahrhaft und gesundheitsfördernd.«
Bei der Umstellung auf eine vegane Ernährung sei es ohnehin nicht empfehlenswert, »nur die echten tierischen Produkte durch pflanzliche Alternativen zu ersetzen, also ein Schweineschnitzel durch ein Sojaschnitzel und den Rest der Ernährung lasse ich wie bisher«. Fleischalternativen könnten Teil einer abwechslungsreichen pflanzenbasierten Ernährung sein, aber sie spielten dabei nur eine kleine Rolle.
Auf kritische Nährstoffe achten
»Wichtig ist, dass man sich gut informiert und sich mit der eigenen Ernährung auseinandersetzt - das gilt aber für alle Ernährungsweisen«, betont der Experte. »Bei der pflanzenbasierten Ernährung gibt es kritische Nährstoffe, auf die man achten sollte, weil die Verfügbarkeit oder der Gehalt in pflanzlichen Lebensmitteln niedriger ist.« Kritische Nährstoffe gebe es allerdings auch bei einer Mischkost, nur seien es hier andere. Was rät er Menschen, die sich vorstellen können, sich künftig vegan zu ernähren? »Wichtig ist, sich nicht zu überfordern. Jeder hat einen anderen Ausgangspunkt und keiner muss die Ernährung von heute auf morgen komplett umstellen, man kann es schrittweise machen. Ein häufiger erster Schritt ist, Fleisch und Wurst zu reduzieren und dafür mehr Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen und Bohnen, Tofu oder auch gelegentlich Fleischalternativen zu konsumieren.« Er selbst ernähre sich übrigens »zu 98 Prozent« vegan: »Ich mache ein paar vegetarische Ausnahmen und esse mal eine Süßigkeit, in der Milchpulver enthalten ist oder auch mal ein Stück Kuchen, in dem Ei drin ist.«
Herausgeber der Studie ist Veganuary Deutschland, eine gemeinnützige Organisation und Kampagne, die Menschen ermutigen will, »sich im Januar und darüber hinaus vegan zu ernähren«. Die Studienergebnisse »kommen genau im richtigen Moment«, stellt die Organisation im Vorwort der Studie fest. Gerade in Zeiten von Krisen bräuchten Menschen »gangbare und leicht umsetzbare Lösungen, und in Zeiten finanzieller Unsicherheit zudem Optionen, die den Geldbeutel entlasten«. Die pflanzenbasierte Ernährung sei eine Lösung für all diese Herausforderungen »und schmeckt obendrein auch noch gut«.
Das private Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE) sieht sich als Ansprechpartner für Organisationen, Unternehmen, Behörden, Gebietskörperschaften und Fachkräfte rund um die Erforschung und wissenschaftliche Bewertung pflanzenbasierter Ernährungsweisen. Zu den satzungsgemäßen Zielen zählen unter anderem die Förderung von Wissenschaft und Forschung, des öffentlichen Gesundheitswesens sowie des Tierschutzes. Die Ursprünge des Instituts gehen zurück auf eine Arbeitsgruppe am Institut für Ernährungswissenschaft an der Justus-Liebig-Universität, dem Arbeitskreis Alternative Ernährungsformen. Heute hat es seinen Sitz in Biebertal. Die Studie gibt es kostenfrei auf der Webseite des IFPE: ifpe-giessen.de/.