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Versuchsgegner fordern von JLU »echte Transparenz«

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Protest mit Kreuzen und Unmengen von Stofftieren auf der Eingangstreppe des Uni-Hauptgebäudes. © Wißner

Die Gießener Arbeitsgruppe von »Ärzte gegen Tierversuche« hielt Mahnwache vor dem Hauptgebäude der Justus-Liebig-Universität und nannte Alternativen zu den jetzigen Experimenten.

Gießen (twi). »Medizinischer Fortschritt ist wichtig - Tierversuche sind der falsche Weg«, beklagte die Gießener Arbeitsgruppe von »Ärzte gegen Tierversuche« auf einem Transparent vor dem Hauptgebäude der Justus-Liebig-Universität (JLU) in der Ludwigstraße. Bilder angeblich »gequälter« Versuchstiere und fast 500 Kuscheltiere waren auf den Treppenstufen aufgestellt, um auf die Protestaktion aufmerksam zu machen. Dazu gehörte auch eine überdimensionale Maus. Bereits seit zwei Jahren finden regelmäßig Mahnwachen statt, und zwar jeweils am vierten Samstag eines Monats auf dem Platz vor dem Unihauptgebäude sowie an jedem zweiten Freitag an der Ecke Schubertstraße/Aulweg vor dem Biomedizinischen Forschungszentrum Seltersberg (BFS), in dem auch JLU-Labore untergebracht sind.

Wie Lara Casper von der AG Gießen gegenüber dem Anzeiger betonte, diene das Tierschutzgesetz keineswegs dem Schutz von Tieren vor Schmerzen, Leiden und Schäden bei wissenschaftlichen Versuchen. Vielmehr würden hier lediglich die Kriterien festgelegt, unter deren Voraussetzung Tiere »verwendet« werden dürfen. »Und die Versuche dienen wiederum nicht dem Wohl des Tieres, sondern der Beantwortung unterschiedlichster wissenschaftlicher Fragestellungen des Forschers. Mit anderen Worten: Unter dem Deckmantel des Tierschutzgesetzes darf Tieren nahezu jedes Leid angetan werden, ohne dass es dafür einen medizinischen Nutzen gibt«, warf sie den Verantwortlichen vor.

Obwohl sich die JLU der Transparenzinitiative angeschlossen habe und damit Transparenz und Offenheit suggeriere, seien Tierversuche »wahnsinnig intransparent«. Offizielle Angeben würden nicht gemacht und lediglich über das Regierungspräsidium Gießen würden auf Anfrage Zahlen mitgeteilt. Die JLU hingegen verstecke sich hinter ihrem Credo »So schlimm ist das nicht«, formulierte es Casper. Als Tierversuch würden etwa Vogelberingung und Flugroutenstudien publik gemacht. »Aber das ist es nicht, was wir meinen. Wenn Tierversuche an der JLU nicht schlimm sind, dann könnte man es auch öffentlich machen«, fordert die Arbeitsgruppe die Universität zu »echter Transparenz« auf.

Bei Tierversuchen werde im Prinzip vor keiner Tierart Halt gemacht. Der offiziellen Statistik zufolge seien die Hauptleidtragenden Mäuse, Fische und Ratten, aber auch Affen, Rotkehlchen oder Nacktmulle würden in Versuchen eingesetzt. Laut »Ärzte gegen Tierversuche« gibt es in Deutschland insgesamt rund 700 Tierversuchslabore in 95 Städten.

Kritisiert wird zudem die Genehmigung von Tierversuchen, die oft mit der Begründung »weil diese unerlässlich« sind, erfolge. »Tatsächlich ist das Genehmigungsprozedere in Deutschland aber nicht mehr als eine Formalität und fast kein Tierversuch wird abgelehnt. Daneben gibt es Tierversuche, die nur der Behörde gemeldet werden müssen«, beklagten die Protestierenden. Dabei gebe es genügend tierversuchsfreie Verfahren, so könnten Forscher Darm, Leber, Niere, Herz, Lungen, Haut, Bluthirnschranke und Gehirn jeweils im Miniformat miteinander zu einem funktionellen Netzwerk verbinden und so eine Art Mini-Körper auf einem sogenannten Multi-Organ-Chip schaffen und damit Stoffwechselprozesse im menschlichen Körper nachbilden. Darüber hinaus könnten mittels epidemiologischer Studien, also Untersuchungen an Gruppen von Menschen, Zusammenhänge zwischen bestimmten Krankheiten und dem Lebensstil einschließlich von Faktoren wie Ernährung und sozialer Komponenten aufgedeckt oder durch Bevölkerungsstudien krebserregende Eigenschaften von Materialien oder Nahrungsmitteln erforscht werden, macht man einige Vorschläge und fordert einen »Paradigmenwechsel«.

Wer sich über die Sichtweise der JLU und ihrer Forschenden zum Thema Tierversuche informieren möchte, kann dies unter folgender Adresse tun: www.uni-giessen.de/tierversuche

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