Vom Banker zum Bestatter

Sascha Kümmel übernimmt das Familienunternehmen in sechster Generation, das Bestattungsunternehmen Kümmel in Gießen-Wieseck. Von Mutter Maria erhielt er einen symbolischen Schlüssel.
Gießen. Es war eine Überraschung für Sascha Kümmel, mit der er nicht gerechnet hatte: Just am 1. April übergab ihm seine Mutter Maria das Wiesecker Bestattungsunternehmen Kümmel. Nach außen hin dokumentierte sie das mit dem Überreichen eines symbolischen Schlüssels. »Es ist auch ein Schlüssel für die vielen traurigen Herzen, die Ihr täglich mit Eurer Empathie und Eurer Menschlichkeit öffnet und somit auch der Schlüssel zum Erfolg«, richtete sie sich an die Belegschaft. Für die Witwe von Hans-Eberhard Kümmel, der im vergangenen Jahr verstarb, und die seitdem das Unternehmen führte, war es ein besonderer Tag und auch für den neuen Inhaber.
Herzen öffnen
»Abgeben und Loslassen ist nicht immer einfach«, sagte sie, aber sie sei beruhigt, diesen Schritt jetzt zu tun. Bei einer kleinen Feier im Kreise der Belegschaft im Restaurant »La Taverna« in Staufenberg blickte sie auf den Fortbestand des Unternehmens, das nunmehr auch in der sechsten Generation fortgeführt wird. Sascha führt die Geschäfte schon die vergangenen drei, vier Jahre ganz in unserem Sinne, wie die jetzige Ex-Geschäftsfrau zufrieden äußert.
Der 43-jährige gelernte Bankkaufmann trat 2011 in das Bestattungsunternehmen in der Turnstraße ein. 2022 sei das schwerste Jahr für den neuen Inhaber gewesen, stellte Maria Kümmel in ihrer Rede fest. Zwei Mitarbeiter fielen weg, Hans-Eberhard starb nach langer Krankheit und die Geschäftsfrau musste ärztlich behandelt werden. »Doch diese Hürden hat Sascha auch dank des Einsatzes seiner treuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeistert«, stellte sie zufrieden bei der Übergabe fest. Die Mutter wünschte dem Sohn, weiterhin »viel Herzblut« bei seiner Arbeit und ein »glückliches Händchen« bei allen Entscheidungen. Sie gab ihm mit auf den Weg, er möge in seinem Beruf genau die Erfüllung finden, so wie sie seine Eltern auch gefunden hätten.
Eigentlich sollte schon 2019 die Übergabe an den jungen Chef erfolgen, doch dann kam Corona und der gesundheitliche Zustand von Hans-Eberhard Kümmel verschlechterte sich. Dem neuen Geschäftsinhaber ist es ein Anliegen, das Bestattungsunternehmen ganz im Sinne von Vater und Mutter weiter zu führen. »Ich bin gerade erst mal glücklich, wie es jetzt ist«, blickt er nach vorne. »Das Unternehmen hat einen guten Standort und ein tolles Team«, freut sich der Vorgesetzte von zwei Vollzeitkräften, einer Teilzeitbeschäftigten, drei Aushilfen und einer Praktikantin. In zwei Jahren gibt es den Betrieb in dieser Form 50 Jahre, insgesamt kennt man die Firma Kümmel schon seit 191 Jahren.
Ausgleich zum teils schwierigen Beruf findet Sascha Kümmel bei den »Aandorfer Domspatzen« als Sänger. Darüber hinaus wirkt er aktiv bei der Burschenschaft mit. Dies sei wichtig, »damit man die teilweise sehr traurigen Ereignisse verarbeiten kann«.