Vom Leben am Korrekturrand

Comedian Herr Schröder berichtete in der Gießener Kongresshalle amüsant vom Leben als Lehrer unter Schülern.
Gießen. »Die Funktionalität der deutschen Sprache ist immer wieder erfrischend, denn im Wort Orgasmus steckt der Imperativ schon drin. Es muss funktionieren, sofort und auf der Stelle. Hinzu kommt, dass das Ganze gut organisiert sein sollte«, erläuterte der studierte Deutschlehrer und Komiker »Herr Schröder« den Zuschauern im kleinen Saal der Kongresshalle. Neben den Kuriositäten unserer Sprache widmete sich der 48-jährige gebürtige Berliner am Sonntagabend auch dem Schulalltag, den Eigenheiten bestimmter Lehrergruppen oder den Problemen und Chancen der Digitalisierung
Sportlehrer kriegen ihr Fett ab
Neben diesem thematischen Querschnitt scheute der Kabarettist auch nicht davor zurück, das Publikum miteinzubeziehen. Einer im Saal sitzenden Mathematik- und Deutschlehrerin machte er jedenfalls deutliche Avancen. »Wir können uns gegenseitig mit Reclam-Büchern einreiben. Ich wohne übrigens in Köln, nur so zur Info,« gab er der jungen Frau noch mit. Bei ihm herrsche gerade »hormoneller Schienenersatzverkehr«, da könne man ja zumindest mal an »eine gemeinsame Doppelhaushälfte denken«.
Apropos Schienenersatzverkehr. Auch die Bahn spielte bei Johannes Schröder, so sein bürgerlicher Name, eine Rolle. Besser gesagt ein ehemaliger Bahnmitarbeiter, der als Quereinsteiger dem Beruf des Lehrers nachgeht. »Da er von Berufswegen her nur die erste und zweite Klasse kennt, arbeitet er an einer Grundschule. Dort lieben ihn die Schüler, da er immer 30 Minuten zu spät kommt.«
Ordentlich ihr Fett ab bekam die Fraktion der Sportlehrer und -lehrerinnen, besser bekannt als »bildungsfreie Spaßgurke aus der Turnhalle.« Schröder gab ihnen zugleich einen Tipp. »Wenn heute Wörter fallen, die Sie nicht kennen, einfach melden. So komische Begriffe wie korrigieren oder Unterrichtsvorbereitung.« Schließlich könne nicht jeder einfach »einen Ball in die Sporthalle werfen« und der Unterricht sei damit vorbereitet. Eine regelrechte Metamorphose durchlebten die Biolehrer während der Corona-Pandemie. »Denn nach 40 Jahren, in denen sich keiner für Themen wie das Liebesleben des Grottenolms interessiert hat, stehen sie plötzlich im Mittelpunkt des Interesses und referieren über Viren und Bakterien,« stellte der Comedian fest.
Dennoch sei »das Leben am Korrekturrand« kein Einfaches - vor allem nicht in Baden-Württemberg. Denn dort steht Folgendes im vom »Kulturmysterium« verfassten Beamtengesetz: Der Tod stellt aus versorgungsrechtlicher Sicht die stärkste Form der Dienstunfähigkeit dar. »So bekommt man ein Gespür dafür, wie die Kollegen so drauf sind,« stellte Schröder vergnügt fest.
Den Online-Unterricht sah der ehemalige Gymnasiallehrer eher kritisch - von den Technikproblemen mal abgesehen, die die ersten 20 Minuten jeder Unterrichtsstunde vorherrschen. Denn neben Verbindungsabbrüchen und schlechten Tricks der Schüler, etwa ein »Papp-Aufsteller von Justin«, gab es etwa auch »störende Rauchschwaden«, erzeugt von Murats Shisha. »Das einzig Interessante beim Digital-Unterricht war der Hintergrund. Wie sieht es bei Schüler X zuhause aus? Wie hoch ist der Grad der Verwahrlosung?«
Die Digitalisierung und die damit einhergehende moderne Techniknutzung stellen für den selbsternannten »Korrekturensohn« ein weiteres Problem dar - vor allem ein persönliches. Denn die Zeiten des Overheadprojektors sind ausgezählt, mittlerweile herrschen Zoom-Meetings und Schülerportale. Vor allem die »Dauerpräsenz von Passwörtern«, die für jede Kleinigkeit benötigt werden, stößt dem Komiker sauer auf. »Heutzutage muss ein Kennwort aus mindestens neun Zeichen bestehen, ein Sonderzeichen enthalten und mit etwas Drachenblut angereichert sein. Und es wäre schön, wenn es sich auf Kokosnuss reimen könnte.« Auch sei er mit der Frage überfordert, wann »die ganzen von ihm akzeptierten Cookies geliefert werden.«
Vorschlag für die fremde Stadt
Antworten könnten nur die »Digital Natives«, die Ureinwohner des Internets liefern. Sie sind es schließlich, »die mit dem Wi-Fi tanzen.« Zu erkennen ist solch ein Exemplar schon von weitem, da es meistens aufrecht läuft und das Smartphone dabei seitlich an den Mund hält.
So plädierte »Herr Schröder« für die Rückbesinnung zum Wesentlichen: für mehr analoge Momente, die »die Tür zum Zufall aufstoßen«. Dafür hatte er einen letzten Tipp für die Zuschauer parat, die an diesem Abend gut unterhalten wurden. »Einfach mal in einer völlig unbekannten Stadt in eine fremde Kneipe gehen und sagen: So wie immer bitte. Und überraschen lassen, was dann kommt.«