Von Barock bis Sting
Hungen (hgt). Zu einem Klavierkonzert mit dem Pianisten Christoph Schanze hatte der Freundeskreis Schloss Hungen in den Blauen Saal des Hungener Schlosses eingeladen, in dem der Musiker bereits mehrfach aufgetreten ist. Die zahlreich gekommenen Besucher wurden vom Vorsitzenden des Freundeskreises, Frank Sygusch, willkommen geheißen.
Das Programm begann mit dem Titel »Les Baricades Mistérieuses«, den der französische Barockkomponist François Couperin einem seiner Cembalostücke gegeben hat. Worauf der Komponist mit diesen Barrikaden anspielt, ist nicht bekannt. Vielleicht bezieht sich der Titel auf die musikalische Struktur des Stücks. Diese ist einzigartig und entfaltet sich in einer endlos wirkenden Klangfläche aus gebrochenen Akkorden, deren Harmonien ineinanderfließen und beim Hören einen beinahe hypnotischen Bann ausüben. Fast scheint es so, als hätte Couperin in diesem und ähnlich angelegten Stücken Prinzipien der sich seit den 1960er Jahren entwickelnden Minimal Music vorweggenommen.
Solchen faszinierenden Querverbindungen geht der Pianist Christoph Schanze gerne nach. In Hungen präsentiert wurden ausgewählte Werke zeitgenössischer Komponisten, die der Minimal Music zugeordnet werden. Ihr Kennzeichen sind repetitive Strukturen: melodische, rhythmische oder harmonische Elemente werden in leichten Variationen und Verschiebungen vielfach wiederholt. Dadurch entstehen serielle Klangflächen mit einer oftmals meditativen Wirkung.
Es erklangen Werke von Philip Glass (geboren 1937), unter anderem einige Etudes for Piano, und Yann Tiersen (geboren 1970). Dessen Filmmusik aus »Die fabelhafte Welt der Amelie« trat etwa in den Dialog mit seelenverwandter Musik aus dem deutschen und französischen Barock, die ursprünglich für das Cembalo geschrieben wurde. Neben ausgewählten Präludien von Johann Sebastian Bach (1685-1750) waren unter anderem ein weiteres Werk von François Couperin und Stücke von Jacques Duphly (1715-1789), Claude-Bénigne Balbastre (1724-1799) und der Popsong »Fields of Gold« von Sting zu hören, zu denen der Pianist die einführenden Kommentare beisteuerte.
Schanze studierte Germanistik in Tübingen sowie Musik in Trossingen mit den Hauptfächern Klavier und Gesang. Er ist Gründungsmitglied und künstlerischer Leiter des Vokalquintetts ensemble l’art vocal und regelmäßiger Gastdirigent des Hechinger Kammerorchesters. Mit beiden Formationen gab er in den vergangenen Jahren vielbeachtete Konzerte. Darüber hinaus machte ihn seine ausgeprägte Konzerttätigkeit als Pianist und Cembalist einem breiten Publikum bekannt. An der Justus-Liebig-Universität Gießen arbeitet Schanze als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für deutsche Literaturgeschichte. Das aktuelle Programm des Freundeskreises gibt es im Internet unter der Adresse www.freundeskreis-schloss-hungen.de.