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Von Menschen und Macken

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Fand Ähnlichkeiten zwischen einer Maya-Frau und einer Nachbarin von der schwäbischen Alb: Markus Orths. Foto: Ulla Hahn-Grimm © Ulla Hahn-Grimm

Gießen . »So was Schönes habe ich schon lange nicht mehr gehört«, seufzte eine Besucherin bei der Lesung von Markus Orths und wischte sich eine Lachträne aus dem Gesicht. Sie war nicht die Einzige. Einen solch heiteren Stoff bekomme man in diesen schwierigen Zeiten kaum noch geboten. Nach zustimmendem Applaus gab deshalb der Gast noch eine Zugabe: eine kurze Geschichte über die Beschwernisse einer Lesereise.

Ein kleines Jubiläum: Zum 15. Mal bereits findet in den Marktlauben die beliebte Veranstaltungsreihe »Einer liest« statt. Darauf wies Organisator Uwe Lischper in einer kurzen Begrüßungsrede hin. Zugleich bedankte er sich bei Stadt, Kulturamt, dem Literarischen Zentrum Gießen und einer stattlichen Anzahl von Sponsoren für die gute Zusammenarbeit.

Als Gast der aktuellen Lesung stellte Lischper den 52-jährigen Markus Orths vor. »Aufmerksam wurde ich durch seine klugen und humorvollen Kurzgeschichten«, berichtete er. Neben seinen Erzählungen hat Orths auch Theaterstücke und Kinderstücke geschrieben.

Orths wurde 1969 in Viersen (Niederrhein) geboren. Er studierte Romanistik, Englisch und Philosophie an der Universität Freiburg. Nach einer kurzen Tätigkeit als Lehrer widmete er sich ausschließlich dem Schreiben von Kurzgeschichten, Romanen und anderem. Er leitete zudem Werkstätten für literarisches Schreiben, gab eine Literaturzeitschrift heraus und übernahm 2018 die Poetikprofessur an der Universität Bamberg. Für seine Arbeiten wurde er mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Orths hat zwei Kinder und wohnt mit seiner Familie in Karlsruhe.

Markus Orths war bereits mehrfach in Gießen sowie in Wetzlar und Marburg, betonte er bei seiner Begrüßung. Geschichte Nummer eins, die er vortrug, handelte von Menschen, ihrem Aussehen, ihren Gewohnheiten und Macken. Da tun sich unerwartete Ähnlichkeiten auf zwischen einer Maya-Frau und einer Nachbarin von der schwäbischen Alb. Nachdem der Ich-Erzähler noch mehr derartige Beobachtungen gemacht hat, legt er schließlich ein Dossier an, um alle ihm näher bekannten Menschen vergleichen zu können.

In Orths Erzählungen geht es um Auf- und Ausbrüche aus dem Alltag, um verrückte »Fluchtversuche«, nach welchen der ganze Band schließlich auch benannt wurde. Es geht um die Chance, das Leben entschlossen am Schopf zu packen, auch wenn man nie weiß, was geschehen wird, betonte der Autor im Gespräch.

In diesem Sinne sind auch die Erzählungen geschrieben, voller Überraschungen, lebendig und skurril. Sehr überraschend etwa sind die Erlebnisse der 75-jährigen Oma in der Sauna, mit viel Herz und einem Augenzwinkern erzählt, so dass die Geschichte niemals unter das Niveau des guten Geschmacks abgleitet. Die Texte sind stilsicher und einfallsreich formuliert, doch die Lesung gewinnt noch mehr durch den verschmitzten Vortrag des Autors.

So sorgte Orths für einen gelungenen Auftakt der 15. Folge von »einer liest«. Die nächste Folge der Reihe ist in zwei Wochen zu erleben: Am 24. Juli erinnert der Gießener Schauspieler Harald Pfeiffer an den vor 75 Jahren verstorbenen Schriftsteller Hans Fallada.

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