Vorwurf: Gewerbsmäßiger Betrug mit PCR-Tests

Zwei Ex-Mitarbeiter des Testzentrums am Berliner Platz in Gießen sollen die Corona-Pandemie ausgenutzt und mit gefälschten PCR-Befunden 15 000 Euro ergaunert haben.
Gießen (bl). In der Hochphase der Corona-Pandemie haben deutschlandweit Betreiber von Testzentren immer wieder die Gunst der Stunde genutzt, um sich selbst zu bereichern. Auch in Gießen ist das nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft so gewesen - und zwar in der Einrichtung am Berliner Platz. Inzwischen ist Anklage gegen zwei einstige Mitarbeiter (43 und 27 Jahre alt) erhoben worden. Es geht um immerhin 185 Taten des gewerbsmäßigen Betruges und der gewerbsmäßigen Fälschung technischer Aufzeichnungen, sagt Staatsanwalt Rouven Spieler, stellvertretender Pressesprecher der Gießener Strafverfolgungsbehörde, auf Anfrage des Anzeigers.
Die beiden Männer sollen mit Tricksereien fast 15 000 Euro ergaunert haben. Verhandelt wird vor einem Schöffengericht am Amtsgericht Gießen. Ein Termin steht noch nicht fest. Eingestellt worden seien dagegen die Verfahren gegen den 50-jährigen Betreiber des Testzentrums und eine 38-Jährige, »da kein hinreichender Tatverdacht auf eine irgendwie geartete Beteiligung bestand«, so Spieler weiter. Bei der Frau handelt es sich um die ehemalige Lebensgefährtin des 43-Jährigen. Auf sie waren die Ermittler gestoßen, weil von ihrem Anschluss die mutmaßlich gefälschten Befundberichte versendet worden sein sollen.
Um die Ausbreitung von Covid 19 einzudämmen, waren gerade Testzentren ein wichtiger strategischer Baustein. Sie wurden flächendeckend eröffnet, um so viel Normalität wie möglich in den Alltag zurückkehren zu lassen. Unkompliziert konnten mehrfach kostenlose »Bürgertests« gemacht werden. Ein positiver Schnelltest musste wiederum durch einen valideren PCR-Test bestätigt werden. Aber auch für Urlaubs- und Flugreisen wurde meist ein solcher negativer PCR-Befund verlangt.
Dem 43-Jährigen und dem 27-Jährigen wird nun zur Last gelegt, 185 Kunden ein positives PCR-Ergebnis bescheinigt und dafür zu Unrecht 79,90 Euro pro Test abkassiert zu haben, obwohl ein Resultat vom Labor noch gar nicht übermittelt worden war. Der Ältere hatte die Vorwürfe bereits bei einer ersten Befragung von Anfang an eingeräumt.
Ein Zeugenhinweis hatte die Ermittlungen Ende Mai 2021 in Gang gebracht. Eine getestete Person verständigte die Polizei darüber, ein negatives PCR-Testergebnis per WhatsApp erhalten zu haben, das mit einer falschen Uhrzeit versehen gewesen sei. Merkwürdig erschien ferner, dass das Entgelt in bar habe gezahlt werden müssen. Bei den Angeklagten und im Testzentrum konnten »diverse Beweismittel« sichergestellt werden - etwa eine vierstellige Summe Bargeld, Speichermedien sowie ein Exemplar eines augenscheinlich gefälschten Laborberichtes. Bei dem 27-Jährigen ergaben sich die Verdachtsmomente laut Rouven Spieler unter anderem aus dem aufwendig ausgewerteten E-Mail-Verkehr. Zu Einzelheiten der Beweiswürdigung und den Ergebnissen einzelner Maßnahmen wollte sich der Jurist nicht näher äußern. Diese Erörterung bleibe der Hauptverhandlung vorbehalten.
Das Gesundheitsamt des Landkreises Gießen hatte dem Testzentrum wenige Tage nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten »mit sofortiger Wirkung« die Beauftragung entzogen. Zudem waren während einer nicht angekündigten Begehung Mängel entdeckt worden. Zum Beispiel konnte das anwesende Personal nicht die erforderlichen Sachkenntnisse vorweisen und es fehlte eine Kühlung für die entnommenen Proben.