Warum denn nicht mal Mumpsbude?

Der Satiriker und Poetry Slammer Patrick Salmen erweist sich mit seinen Kurzgeschichten und Beobachtungen im Jokus als ungemein gewitzter Zeitgenosse.
Gießen. »Schön, dass ihr Bock habt auf eine lebensbejahende Literaturshow. Wie ich sehe, haben sich einige schick gemacht, andere haben sich ordentlich gehen lassen«, begrüßte Autor und Bühnenpoet Patrick Salmen launig seine Zuschauer im Jokus. Für den 37-jährigen Wuppertaler war es genau der richtige Mix für seine Lese-Liveshow mit dem Titel »Im Regenbogen der guten Laune bin ich das Beige«, die für die geerdete Elite ebenso wie für den gehobenen Pöbel geeignet sei. In humorvollen Kurzgeschichten, Erzählungen und Anekdoten sprach »Grumpy Pat« im Anschluss über klischeebehaftete Geburtstagspartys, verrückte Begegnungen, oder Methoden der Kindererziehung.
Kinderbücher in drei Sätzen
»Kinder verschwenden so viel Zeit mit Lesen, dass möchte ich nicht mehr«, erklärte der Satiriker und hatte zugleich ein neues Konzept im Gepäck: Kinderbuch-Klassiker erklärt in drei Sätzen. Das klang im Fall von »Dornröschen« dann so: »Tollpatschiges Mädchen muss trotz auferlegtem Fluch mal wieder alles anfassen, greift in eine Spindel und schläft dann für immer ein. Ein tapferer Prinz rettet sie, indem er einer unbekannten, schlafenden Frau auf den Mund küsst. Übergriffiges Arschloch, meine Meinung.« Doch nicht nur die bekamen ihr Fett ab, auch »Benjamin Blümchen« klang nach der Zusammenfassung Salmens nicht mehr ganz so familienfreundlich. »Sprechender Elefant mit erhöhtem Blutzuckerspiegel erlebt diverse Abenteuer mit seinem minderjährigen Freund Otto. Leichter Pädo-Touch, aber das muss jeder selbst wissen. Töröö.«
Neben »praktischen Kürzungen« von Geschichten, die der Aufmerksamkeitsspanne der Kinder gerecht werden, hatte der Schriftsteller auch »pfiffige« Namen für Kindergärten dabei. »Die kleine Rasselbande, Kindergarten Sonnenschein - das sind absolut langweilige, komische Namen. Wie wäre es stattdessen mit Mumpsbude, oder Pimpfzentrum. Und konservative Arschlochkinder können in den Hort Seehofer.«
Zu sprechen kam der gut aufgelegte Westfale, der 2010 die Poetry-Slam-Meisterschaften in Bochum gewann, auch auf seine Lieblingsrubrik: »Cremige Dialoge im Café«. Er könne nicht nachvollziehen, warum die Leute Podcasts hören, anstatt in ein unbekanntes Café zu gehen und dort die Menschen zu beobachten. »Dort hast du fünf Podcasts gleichzeitig und kannst auch direkt Rückfragen stellen wenn etwas unklar ist«. So berichtete Salmen von einem belauschten Gespräch in einem Wolfsburger Café. »Er: Ich bin ja jemand, der sich selber nicht so ernst nimmt. Sie: Das sieht man. Er: Wie meinst du das? Sie: Naja, dein Look halt. Die randlose Brille, die Faltenhose, der Schnauzer - das wirkt so ironisch. Er: Ich meinte eher auf humoristischer Ebene. Ich kann eben viel über mich selber lachen. Sie: Ich fürchte da hast du auch keine andere Wahl.«
Als äußerst unterhaltsam stellte sich die Kurzgeschichte »Der Weberknecht im Weißwein-Schörlchen« dar. So landete Salmen auf einem »typischen Männergeburtstag« von Nachbar Volker. »Prost Keule« sagt irgendein Typ und hält mir eine Flasche Bier hin. »Erstmal ’ne Pilsette wegzischen, was?!« »Nein, danke. Ich habe schon die Zähne geputzt«, antworte ich. Kleiner Scherz. Ich greife zur Flasche Bier und nehme einen großen Schluck. Zwar mag ich kein Bier, aber ich möchte nicht unangenehm auffallen. Seitdem ich letztes Jahr in der Dorfkneipe mal nach einem trockenen Weißwein gefragt habe, nennen mich in Volkers Bekanntenkreis alle nur noch Patrice Salmon - der edle Franzose.«
Zwischen seinen Kurzgeschichten streute der Gast immer wieder persönlich erlebte Anekdoten ein, wie die verwirrende Begegnung mit einem Taxifahrer in Wolfsburg. »Ich weiß, es war schon traurig genug, dass ich in Wolfsburg auf Tour war. Ich bin dann mit dem Taxi zum Veranstaltungsort gefahren. Währenddessen hat mich der Fahrer gefragt, was ich hier mache. Ich habe ihm gesagt, dass ich auf Lesereise bin. Nachdem er einige Zeit überlegt hat, drehte er sich zu mir um und meinte: Muss jeder selber wissen, ich lese immer zuhause auf der Couch.«
Ein Quiz von der »Spendierhose«
Gegen Ende seiner Lesung, gemischt mit Stand-up-Comedy - allerdings im Sitzen - veranstaltete der Wortakrobat ein »Aufmerksamkeits-Quiz«, um zu schauen, ob die Leute auch aufgepasst haben. Zu gewinnen gab es für zwei freiwillige Zuschauer sein neues Werk. Mithilfe ihrer Sitznachbarn, die als »menschliche Buzzer mit Tiergeräuschen« herhalten mussten, versuchten die Beiden möglichst schnell die richtige Antworten auf die gestellten Fragen zu finden. Zum Abschluss erhielten beide Teilnehmer den Gewinn von der selbsternannten »Spendierhose«, die sich sogar noch offen für eine Aftershow-Party zeigte.
»Nach der Lesung gibt es einen kleinen Rave. Das wissen die Veranstalter noch nicht, aber da werden wir ein bisschen steil gehen. Ich lege dann ein bisschen Musik auf: 15 Minuten Best-of von Scooter.«