»Weihnachten in der Finsternis«

Der ukrainischer Chor Wilni tritt in der vollbesetzen Pankratiuskapelle auf und stellt den zahlreichen Besuchern Kultur und Traditionen ihres Heimatlandes vor.
Gießen. »Weihnachten in der Finsternis« hieß das Benefizkonzert der Ukrainischen Gemeinde in der überfüllten Pankratiuskapelle. Dem Publikum wurden an diesem Abend weihnachtliche Traditionen aus dem Heimatland nähergebracht. Das Konzert mit dem Chor Wilni - Auftritte gemischt und nur mit Frauen - stand unter der künstlerischen Leitung von Ivan Bohdanov. Liedvorträge kamen von ihm sowie Sofia Schyan, Anastasiia Muntianu und Viktoria Bohdanova, die auch auf ihrer Gitarre begleitete. Anastasiia Petrova übersetzte alle Texte ins Deutsche.
»Wir haben das Konzert »Weihnachten in Finsternis« genannt, weil wir an jedem Tag, an dem wir uns mit unseren Liebsten unterhalten, von denen hören, dass sie weder Strom noch Gas und Wasser haben. Wir sind mit unserem Land verbunden und jeden einzelnen Tag tragen wir den Schmerz unseres Landes mit.« Das heutige Treffen habe zwei Hauptziele. Das erste sei: »Wir möchten gerne Spenden für die Ukraine sammeln und dann an die schicken, die es gerade sehr schwer haben, aber trotzdem weiter kämpfen und gewinnen.«
Für das gesammelte Geld sollen Notstromgeneratoren, warme Decken, Kerzen, lang haltbares Essen, Babynahrung, Hygieneartikel und die nötigen Medikamente besorgt und in die Ukraine geschickt werden.
Anliegen der Benefizveranstaltung war es weiterhin, die ukrainische Kultur und Traditionen den Besuchern vorzustellen. In der Ukraine fängt die Weihnachtsstimmung nicht vor dem Weihnachtstag an, sondern erst ab dem Weihnachtstag. Diese Zeit nennt man dort »Koliada«. Nach dieser Tradition besucht jede Familie Verwandte und Freunde oder empfängt sie als Gäste bei sich Zuhause. Und dies zwei Wochen lang jeden Abend. Diese Tradition befestige den Zusammenhalt in den Familien und in den Freundschaften.
Der Hauptunterschied zwischen ukrainisch-orthodoxen und katholischen/evangelischen Weihnachtszeiten ist, dass es eine Adventszeit nicht gibt. Aber Weihnachten ist hier wie dort eines der wichtigsten kirchlichen Feste. In der Ukraine wird Weihnachten vom 6. bis zum 7. Januar gefeiert. Das liegt daran, dass die ukrainische - wie auch serbische und russische - orthodoxe Kirche nach altem julianischem Kalender feiert. Viele andere Kirchen (katholische, evangelische, griechisch-orthodoxe) feiern seit 1582 nach gregorianischem Kalender. In der Ukraine sind schon vor dem Krieg die Debatten bezüglich der Umstellung des kirchlichen Kalenders auf gregorianisch aufgetreten. So feiern viele Ukrainer Weihnachten inzwischen auch am 24. Dezember. Viele feiern sogar zweimal, eben nochmals am 6. Januar.
Die Weihnachtsvorbereitung beginnt mit einem zweiwöchigen Fasten vor Weihnachten. Am Heiligabend (6. Januar) werden zwölf vegetarische Gerichte gekocht (nach der Zahl zwölf Apostel). Auf jeden Fall muss ein Gericht zubereitet werden, das »Kutja« heißt - das sind gekochte Weizen- oder Perlgraupen, verfeinert mit Honig und Rosinen. Und dieses Gericht muss als erstes am Abend gegessen werden. Am nächsten Morgen wird das Fasten gebrochen und mit der ganzen Familie richtig gefeiert. Dabei werden auch die Weihnachtslieder gesungen.
Eine Woche später, vom 13. auf den 14. Januar, wird der Beginn des kirchlichen neuen Jahres gefeiert. Abgeschlossen werden die weihnachtlichen Festtage mit dem Wassertaufe-Fest am 19. Januar. An diesem Tag herrscht in der Regel starker Frost. In der Eisfläche des Flusses wird die Form eines Kreuzes aufgeschnitten und in dem eisigen Wasser der Taufe ähnlich gebadet. Denn nach dem Evangelium sei Jesus an diesem Tag getauft worden.
Wer die Ukrainische Gemeinde unterstützen möchte, hat die Möglichkeit, seine Spende auf das Spendenkonto der Ukrainischen Gemeinde Gießen zu überweisen: IBAN DE19 5139 0000 0086 2013 05 Verwendung: Spende Ukraine. Sachspenden können montags bis freitags von 14 bis 17 Uhr im THM-Gebäude A15 in der Wiesenstraße 17 abgegeben werden. Wer die Möglichkeit hat, Flüchtlinge aus der Ukraine für kurze oder längere Zeit aufzunehmen, kann dies per E-Mail mitteilen: ukrverein@gmail.com. (rsa)