Wenn alles schwingt
Gießen. Ein musikalisches Ereignis: Die renommierte Jazzorganistin Barbara Dennerlein gastierte mit ihrem Programm aus Soloinstrument und Kirchenorgel in der Johanneskirche. Ihrer Passion folgend begann sie den Abend auf dem schon etwas ehrwürdigen Instrument auf der Empore und schritt dann federnd zum zweiten Teil des Programms.
Doch zunächst trotzte sie, kann man schon sagen, auf der Förster- und Nikolaus-Orgel (»So schlimm ist die gar nicht«) dem mächtigen Hall des Hauses einige gut beschleunigte Jazztitel ab. »Die Orgel reagiert sehr schnell«, kommentierte die 57-Jährige ihr musikalisches Werkzeug. Eine Videoübertragung machte sie währenddessen unten im Saal an der Stirnwand sichtbar, so dass ihre energiegeladene Spielweise gut zu erkennen war. Die gebürtige Münchnerin legte los mit »Whoopee Doo«, einem Titel, der die gute Laune schon im Títel trägt. Ein bluesiger, vielversprechender Auftakt, etwas augenzwinkernd jahrmarktähnlich intoniert. Das war schon etwas im Hall verweht, aber der Groove bestand fort.
Barbara Dennerlein gehört zu den international anerkanntesten Jazzorganistinnen, die schon in allen denkbaren Konfigurationen und mit berühmten Partnern musiziert hat. Sie war schon mehrmals in der Region zu Gast, etwa in Lich und Laubach.
In der Johanneskirche wurde der behände musizierte folgende Calypso, »Just like that« zu einem echten Glanzstück. Dennerlein sagte mit großem Charme alle Stücke an und erläutert sie, oft mit einer kleinen Geschichte umrankt, was dem Konzert eine entspannte, fast familiäre Atmosphäre verlieh. Von Beginn an bester Laune, vertiefte sie sich bis zu den Ellenbogen in die Musik, versank förmlich in den Stücken. So bot sie auch eine große sakrale Klangphase, charakteristisch waren jedoch die häufigen attraktiven Wechsel. So entstand ein außergewöhnliches Klangerlebnis, gewürzt mit einem schönen Rhythmus-Pfeffer; fetzig!
Es folgte die Ballade »Little Darling« von Neal Hefty. Der langsame Groove bot angenehm warme Klänge, wurde fast besinnlich und schließlich etwas mäandernd erzählerisch. Ein hochsensibel ausgearbeiteter Schluss sorgte für Riesenbeifall.
Hammondorgel im Kirchensaal
Im Kirchensaal hatte Dennerlein eine original B3 Hammondorgel mit zwei großen Leslie-Lautsprechern aufgebaut, zu denen sie auch zwei Geschichten parat hatte. Vor Jahren ließ sie die Basspedale durch eine MIDI-Technik ersetzen, sodass sie beliebige Sounds erzeugen oder vielmehr abrufen kann, zum Beispiel einen höchst realistischen Kontrabass; spielen tut sie alles natürlich weiter selbst.
Den ersten Titel »Jimmy’s walk« auf dem Instrument widmete sie dem großen Jazzorganisten Jimmy Smith, an dem sie sich ansonsten eher nicht orientiert. Zu erleben war dabei ein authentisches Basssolo, das kaum mehr etwas mit Orgelklang zu tun hatte, allein am Rande flimmerten ganz leise ein paar Orgelharmonien.
Klanglich wurde die Lage etwas klarer, obwohl der Kampf gegen den Hall nicht endete: das Barbara-Dennerlein-Erlebnis konnte sich entfalten. »Papis Boogie«, geschrieben nach einer musikalischen Kindheitserinnerung, war mit klassischen Blueselementen entspannt, aber auch flink, einmal mit einer zweiten Begleitung in doppeltem Tempo. Hier kamen auch Orgelklänge abseits des Vertrauten zu Gehör, ein Zeichen für Dennerleins nicht endende Lust auf Neues; dann ein lakonischer Abschluss. Bei »That’s me« setzte sie einen perkussiven Anschlag ein, an sich typisch für die Hammondorgel, und einen Bass wie von einer Gitarre stammend - vielseitig, quirlig und präzise.
Als Zugabe spielte sie schließlich »Get it on« (Eine Art Aufforderung zum Tanz«). Anfänglich packend, dann zeitweise etwas meditativ und mit wunderbarem Groove. Bei Barbara Dennerlein schwingt immer alles: die Musik, die Kirche und alsbald das Publikum. Ein wunderbarer Abend.